Welche Rolle spielen die technischen Dinge für die performativen Künste, vor, auf und hinter der Bühne? Es sind Kameras und Mikrofone, aber auch Sprechanlagen, Lichtpulte oder Regiebücher mit denen sich das Seminar befasst, jene Dinge also, welche das Theater immer schon vermitteln, verarbeiten und erinnern, und zwar vor, während und nach der Aufführung. Denn auch wenn, oder gerade weil, Aufführungen live sind, sind sie zugleich auch immer schon medial, in Produktion, Rezeption wie Distribution. Erst in und durch vielfältige Mediationen finden Aufführungen statt und werden Aufführungen verhandelt, wird entschieden was zählt und was gilt, am Theater und als Theater.

Wie diese Prozesse von statten gehen, welche Geschichten sie erzählen und wie sie sich beobachten lassen, wie die performativen Künste in und durch die Vermittlung zwischen unterschiedlichsten Menschen und Dingen zur Wirklichkeit werden, das sind die Fragen, mit denen sich das Seminar beschäftigt. Dabei geht es nicht zuletzt immer auch um die Verstrickung der Kunst mit jener sozialen Umwelt, die notwendig an den technischen Dingen hängt. 

Ein erster Teil des Seminars eröffnet mit der Akteur-Netzwerk-Theorie eine Perspektive auf die Dingwelten des Theaters. Daran anschließend entwickeln wir im zweiten Teil methodische Herangehensweise in Anlehnung kulturanthropologische Verfahrens des Beobachtens, Befragens und Beschreibens von Praxisvollzügen. Schließlich sollen im dritten Teil individuelle Mikrostudien entwickelt, erprobt und gemeinsam reflektiert werden, die dann als Grundlage für die im Anschluss entstehenden Hausarbeiten dienen können. So entsteht im besten Fall eine kleine Sammlung aus Mikroportäts der theatralen Praxis und ihrer technischen Objektbezüge, die, wenn das Seminar Lust darauf hat, auch Anlass für eine kleine Publikation sein könnten.

Vorausgesetzt wird die Lust und Bereitschaft eine eigene kleine Beobachtungsstudie in Vorbereitung der späteren Hausarbeit bereits im Semester durchzuführen – thematisch lässt sich dabei die ganze Breite der performativen Praxis behandeln, von Theaterproben und Tanzperformances über Filmdrehs und Radiostudios bis hin zu TikTok-Videos und Parteitagsreden.

Eine Szene ist immer schon die Artikulation eines medientechnischen Apparats: Kameras und Scheinwerfer, Flugwerke und Rundhorizonte, aber auch Druckerpressen, Schreibmaschinen und Algorithmen sind an ihrer Entstehung beteiligt. Ausgehend von unserer digitalen Situation wirft die Vorlesung einen Rückblick auf die Mediengeschichte der szenischen Künste: behandelt werden u.a. die Verbindungen von Alphabetisierung und Tragödiendichtung, Dramenform und Buchdruck, Fotografie und Naturalismus, Kybernetik und Performance. Die Veranstaltung versteht sich als Einführung in die Medientheorie und Mediengeschichte und will den Blick auf die technische Bedingtheit der szenischen Kultur schärfen.

Die Veranstaltung begleitet die als eigenständiges Praktikum angelegte Projektarbeit im Teilmodul WP4.2. Ziel ist die vorbereitende, begleitende und nachbereitende Reflexion der Projektarbeit. Es wird die Entwicklung von Forschungsfragestellung besprochen und Verfahren der Beobachtung und Dokumentation werden thematisiert. Diskutiert wird darüberhinaus welche Ergebnisse am Ende des Projekts stehen können und nach welchen Kriterien diese zu beurteilen wären. Entsprechend bereitet die Übung auch vornehmlich auf das Verfassen der wissenschaftlichen Hausarbeit vor, die das Projektmodul abschließt. 

Die Projektreflexion (WP4.2) ist vorgezogen auf das Sommersemester, erstreckt sich in Teilen aber bis auf das Wintersemester. Die Veranstaltung setzt sich konkret zusammen aus: 

  • zweitätiger Methoden-Workshop in der zweiten Woche des Sommersemesters,

  • Besprechung der Projektideen & Entwicklung von Forschungsfragen an fünf Terminen im Sommersemester, 

  • Abgabe einer Konzeptskizze und individuelles Feedback in der letzten Woche des Sommersemesters,

  • Projektvorstellung und Schreibwerkstatt an fünf Terminen im Wintersemester

Die eigenständig organisierte Projektarbeit (WP4.1) wird im Wintersemester belegt und sollte idealerweise auch dann stattfinden, in jedemfall aber nach dem Methoden-Workshop am Beginn des Sommersemesters! 

Die das Gesamtmodul (Projekt+Reflexion) als Prüfungsleistung abschließende Hausarbeit (40.000-50.000 Zeichen) wird jeweils am Ende des Wintersemesters abgegeben. 


Wie sehen die Bühnen der Zukunft aus? Unsere Theaterlandschaft befindet sich, mitbedingt durch die Corona-Krise, in einer tiefgreifenden Transformation, die – soviel lässt sich schon absehen – auch die Räume des Theaters verändern wird. Das Seminar fragt nach Tendenzen einer Neujustierung von Theaterarbeit nach der Krise; dabei liegt der Fokus auf Szenografie und Performance Design, die – als ‚bildende Künste in den darstellenden Künsten‘ (Beschreibung des Berufsfelds lt. BdS) – die Aufgabe übernehmen, im Verbund mit Regie, Dramaturgie und Ensembles Spielkonstellationen zu entwerfen und einen Diskurs darüber führen, wie wir Welt gestalten und wahrnehmen. Neben der Frage nach Raum-Ästhetiken geraten v.a. drei Aspekte in den Blick: 1. die Frage nach der Sozialität von Bühne/ Theaterräumen und ihrer (Neu-)Verortung im urbanen Kontext (‚Shared Spaces‘) resp. im medial erweiterten Kopräsenz-Raum, 2. Digitale Transformation: Szenografie und Dramaturgien an der Schnittstelle von analogen und digitalen Räumen, 3. Ökologie und Nachhaltigkeit (‚Eco-Scenography‘). Anhand exemplarischer Projekte diskutieren wir die Relevanz und politische Dimension szenografischer Praxis, auch mit Blick auf rezente Debatten um Neu-Formatierungen und institutionelle Veränderungen im Theaterfeld hierzulande, sowie unter Berücksichtigung der – hierzulande kaum beachteten, jedoch international aktuell sehr lebendigen – Diskussion der Scenography Studies.

 

[Seminar/PÜ in Verbindung mit dem Bund der Szenografen (BdS), www.szenografen-bund.de]


Herzliche Willkommen. Schön, dass wir dieses Semester gemeinsam verbringen!


Kommunikation & Kontakt

Informationen, Materialien etc. zum Seminar finden Sie hier auf der Moodle-Seite. 

Sollten Sie an einem Termin verhindert sein (gleich aus welchen Gründen), informieren Sie mich bitte vorab in einer kurzen Mail an pia.wiesner@campus.lmu.de.

Bei Problemen, Fragen oder Anmerkungen (auch kritischen), wenden Sie sich gerne jederzeit persönlich an mich. Außerhalb der Seminarzeiten kommen Sie gerne in meine Sprechstunde oder schreiben mir eine Mail an: pia.wiesner@campus.lmu.de. 

Gerne können Sie auch mit vorheriger Anmeldung in die Sprechstunde in der Georgenstraße kommen: Montags 14:15-15:00 Uhr oder nach Vereinbarung kommen. Schreiben Sie dazu einfach eine Mail an pia.wiesner@campus.lmu.de

Sollten Sie an einem Seminartermin verhindert sein (gleich aus welchen Gründen) bitte ich um eine kurze Benachrichtigung vorab per Mail.