Ob muslimische NomadInnen oder städtische Kaufleute, jüdische Diasporagemeinden oder deutsche und slavische KolonistInnen – die multiethnische Bevölkerung Zentralasiens sah sich über Jahrhunderte den imperialen Ambitionen Russlands, Chinas und Großbritanniens ausgesetzt. Mit der Eroberung ‚Turkestans‘ durch Russland wurde Zentralasien zur kolonialen Peripherie des Zarenreiches, bis die Revolution von 1917 hier vormalige Untertanen zu wahlberechtigten BürgerInnen machte. Die Bolschewiki sowjetisierten die Region, zogen neue territoriale wie ethnische Grenzen und versprachen neben der Befreiung von Kolonisierten und Frauen eine bessere, da moderne und vor allem sozialistische Zukunft. Nationale Eliten sollten gefördert, Minderheiten mindestens Schulunterricht in der eigenen Sprache erhalten, Russen als Unterdrücker hinter lokalen Kadern zurückstehen. Zugleich wurde Zentralasien ein Aushängeschild für die Sowjetunion im globalen Süden. Doch blieb die Region von Krieg, Gewalt und Deportationen geprägt; die Modernisierung kam in Form von Hunger, gewaltsamen Kampagnen sowie ökologischem Raubbau bei der Bevölkerung an. Nichtsdestotrotz stimmten bei einem Referendum im März 1991 mehr als 70% in Zentralasien für einen Verbleib in der Sowjetunion unter Moskauer Führung.

Damit ist die Geschichte Zentralasiens ein Brennglas für die prägenden Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Mit einem besonderen Augenmerk auf die Begegnung verschiedener Bevölkerungsgruppen mit dem Staat beschäftigt sich der Basiskurs mit den zentralen Entwicklungen in der Region, um die ‚großen Fragen‘ von Imperialismus, Diktatur und Sozialismus, ethnisierter und politischer Gewalt sowie die Bedeutung von Nation, Emanzipation und Teilhabe in den Blick zu nehmen.

 


Foucault hat das Gefängnis als eine der Institutionen identifiziert, mittels derer in der Moderne Gesellschaften diszipliniert und Wahrheiten durchgesetzt wurden. Sie erscheinen als Orte der totalen staatlichen Kontrolle und Beobachtung; die Ausbeutung der Arbeitskraft der Gefangenen fand unter profitorientierten wie erzieherischen Vorzeichen statt. Dieser Komplex forderte aber auch immer wieder Widerstand heraus – unter Gefangenen wie Intellektuellen und Aktivist*innen und machte so Gefängnis immer wieder zum Gegenstand von (trans-)nationalen Kontroversen. 

Doch was passiert, wenn dies nicht das städtische Gefängnis betrifft, sondern Kriminelle, politische Gefangene und Kolonisierte in den Sträflingskolonien und Verbannungsorten fernab der imperialen Metropolen nicht nur aufeinandertreffen, sondern auch auf die (wenigen) Vertreter einer fernen Staatsmacht? Gibt es hier spezifische Ausformungen von Disziplinierung und Ausbeutung, etwa in Bezug auf verschiedene Imperien und unterschiedliche politische Systeme? Wie bildeten sich hier Lager- und Gefängnisgesellschaften aus und wie standen sie in einem Bezug zu den Entwicklungen jenseits des (oft nur sprichwörtlichen) Stacheldrahtes?

In der Übung soll dies für die Praxis (post-)imperialen Strafens anhand von Quellen und Forschungsliteratur für das russländische Eurasien sowie das (ehem.) britische Kolonialreich diskutiert werden. Neben der sibirischen katorga im Zarenreich und den Sträflingskolonien Australiens sollen auch die Straflager in Zentralasien und – südostasien bzw. Afrika in Hinsicht auf gewöhnliche wie politische Gefangene exemplarisch behandelt werden.


17.10.2023 - Vorstellung, Einführung, Fragestellungen, Geografie
24.10.2023 - Von der Hamangia-Kultur zu den griechischen Schwarzmeerkolonien
31.10.2023 - Daker, Römer, Byzantinisches Reich
07.11.2023 - Das Despotat Dobrudscha und der Beginn der osmanischen Herrschaft
14.11.2023 - Die Dobrudscha im Eyalet Silistra
21.11.2023 - Die Dobrudscha zur Zeit der Tanzimat-Reformen
28.11.2023 - Der Krieg von 1877/78, der Berliner Kongress und die Aufteilung der Dobrudscha
05.12.2023 - Die Dobrudscha zwischen Bulgarien und Rumänien
12.12.2023 - Die Balkankriege und der Erste Weltkrieg
19.12.2023 - Die Dobrudscha als Teil "Großrumäniens"
09.01.2023 - Craiova und die Folgen: erneute Aufteilung zwischen Bulgarien und Rumänien
16.01.2023 - Im kommunistischen Bulgarien, im kommunistischen Rumänien
23.01.2023 - Die Dobrudscha seit 1989/90
30.01.2023 - Zusammenfassung: Imperien, Nationalstaaten, Alltagspragmatismus
06.02.2023 - Klausur