Spätestens seit der Haager Konvention (1954) ist auch in der deutschen Sprache der juristisch gerahmte und wenig spezifische Kulturerbebegriff etabliert, welcher alle materiellen und immateriellen Hervorbringungen einer Gesellschaft umfasst. Über alle Rechtsnormen hinaus wirkt dieser weit in Sphären der Soziologie, Ökonomie und Kunst hinein.  

In afrikanischen Kontexten sind Bilder, Techniken und Materialien des Kulturerbes oft eng mit Prozessen von Erinnerung und Vergegenwärtigung, der Deutung von Vergangenheit und Zukunft, verbunden. Performative Bild- und Objektpraktiken können als Speicher und Trigger von sozialer und historischer Zugehörigkeit funktionieren. Sie ermöglichen dann durch spezifische Gebrauchsweisen das darin gespeicherten Wissen abzurufen und dieses durch networking und Techniken formaler sowie materieller Adaption beständig zu aktualisieren und zu globalisieren. In der Gegenwart kann afrikanisches Kulturerbe ergo als gleichsam visionäre Ressource (Sarr 2019) gedacht werden. 

Damit befasste Gedächtnisinstitutionen und -medien verlangen nach spezifischen Formen des Displays und Zugangs und oft nach einer ebenso spezifischen Materialität solcher Spurenträger, welche die Einschreibung bestimmter Diskurse technisch erst ermöglicht. In der Edo-Sprache Nigerias heißt sich erinnern wörtlich übersetzt in Bronze gießen (Plankensteiner 2007), die Bronzeplatten des Königreichs Benin sind materielle Zeugen der Geschichte des Landes und der unrechtmäßigen Verlagerung solcher Kulturgüter zugleich. Zwischen als quasi handlungsmächtig verstandenen Bildern lassen sich fragile und sich beständig verändernde Netzwerke beobachten. Das Seminar wird dazu in ausgewählte theoretische Fragestellungen - nach Objektbiographien (Kopytoff 1986), Dingen als Agenten (Latour 2007) sowie deren kommunikativer Dimension bei der interaktiven Vermittlung bildrelevanter Inhalte (Gell 1988) - einführen. Es wird weiter den Blick auf bestimmte afrikanische Gedächtnisinstitutionen und deren Bildpraktiken, AutorInnen, Techniken und Materialien richten. Nach welchen Terminologien verlangen diese Bilder, wie erinnern sie Vergangenheit, prägen die Gegenwart und weisen in eine Zukunft (von der vielleicht nicht sicher sein kann, ob sie im Singular überhaupt existiert)?