Musik taucht in Holocaust-Erinnerungen jüdischer Überlebender aus Osteuropa häufig auf: Lieder aus Lagern, Ghettos und Wäldern, Lieder als Trost, Kraftquelle und Akt der Menschlichkeit, schließlich Musizieren als Lebensretter und als Folter. Die während des Holocausts von osteuropäischen Juden gesungenen Lieder speisen sich vor allem aus zwei Quellen: traditionelle Volkslieder und Lieder der zeitgenössischen, europäischen Theater- und Kabarettszene. Ihre Texte wurden den aktuellen Lebensumständen angepasst, die geprägt waren von Furcht, Hunger, Gewalt und Tod.
Doch welche Rolle spielte Musik für überlebende Juden, die als sogenannte DPs (displaced persons) in den Jahren 1945-48 in Bayern lebten? Knüpfte die Musik der DPs, die nun unfreiwillig für ungewisse Zeit im „Land der Täter“ leben mussten, an das kulturelle Schaffen vor und während der Vernichtung an?
Das Programm des berühmten Befreiungskonzerts in St. Ottilien am 27. Mai 1945 mit Hymnen der Alliierten, mit jiddischen und hebräischen (Volks)Liedern, mit klassischen Werken von Grieg und Bizet zeugt von einer großen symbolischen, vereinenden Kraft der Musik. Die schwungvollen Auftritte der DP-Swing-Band Happy Boys stehen wiederum für ungebrochenen Lebenswillen. Einzelne Lieder erzählen Geschichten von Individuen und Kollektiven, in ihrer Gesamtheit jedoch sind sie Ausdruck des Schicksals und der Geschichte der osteuropäischen Juden.
In der Übung beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit den Formen und Funktionen jüdischen Musizierens in jüdischen DP-Camps in Bayern. Wir gehen dabei auch der Frage nach, inwiefern diese bisher wenig beachteten Zeugnisse des Alltags im Holocaust und in der DP-Zeit für die historische Forschung nutzbar sind und was wir daraus auf Makro- und Mikroebene lernen können.
Jiddisch- oder Hebräischkenntnisse sind nicht erforderlich.
Prüfungsform im BA und mod. LA und GSP: ES
- Trainer/in: Evita Wiecki