Anthologisiert, in zahlreichen akademischen Seminaren gelesen, häufig zitiert: Gayatri Spivaks Aufsatz "Three Women's Texts and a Critique of Imperialism" (1985) ist ein grundlegender Text der feministischen postkolonialen Studien. Spivak arbeitet hier die These aus, dass in einem imperialistischen Kontext verfasste Literatur, auch wenn sie von Frauen geschrieben ist und marginalisierte Figuren in den Vordergrund rückt, nicht automatisch antiimperialistisch sei oder diesen Randfiguren eine Stimme verleihe. Ganz im Gegenteil: Die Selbstwerdung der europäischen weißen Frau verlaufe häufig über eine Unterdrückung, wenn nicht sogar Dämonisierung des kolonialen 'Anderen'. Diese These alleine böte schon genug Diskussionsstoff. Die Auseinandersetzung mit Gayatri Spivaks Essay soll uns aber vor allen Dingen auch einen theorieinformierten Einstieg in die Lektüre dreier großer, von Frauen verfasster Romane des englischen Viktorianismus und der Moderne geben: Mary Shelleys Frankenstein (1818), Charlotte Brontes Jane Eyre (1847) und Jean Rhys Wide Sargasso Sea (1966). Ziel des Seminars ist es, neben der eingehenden Lektüre dieser Romane Spivaks Essay und dessen breite Rezeptionsgeschichte zu erkunden sowie die weitreichenderen Implikationen der hier aufgestellten Thesen zu diskutieren.