Revolutionen, d.h. die abrupte und meist gewaltsame Umwälzung der
institutionellen Ordnung einer Gesellschaft, sind ein klassisches
gemeinsames Erklärungsproblem von Geschichtswissenschaft und Soziologie.
Das Revolutionsproblem lässt sich als Paradox beschreiben. Betrachtet
man die massive Ungleichheit an Wohlstand und Macht, die von
institutionellen Ordnungen aufrechterhalten wurden, wundert man sich,
dass es in der Geschichte nicht viel häufiger zu Revolutionen kam.
Betrachtet man hingegen die eingeschleifte Reproduktion der
institutionellen Ordnung und die Schwierigkeiten kollektiven
Zuwiderhandelns, wundert man sich, dass es überhaupt je zu Revolutionen
in der Geschichte kam. Weil es einerseits wiederkehrende Randbedingungen
für Revolutionen gibt, die sich in soziologischen Theorien leicht
angeben lassen – Verelendung, Reformstau usw. –, aber andererseits der
Verlauf institutionellen Wandels in hohem Maße von kontingenten Faktoren
abhängig ist – außenpolitische Niederlagen, charismatische Anführer
usw. – braucht es einen genuin historisch-soziologischen Ansatz, der
theoretische Modelle institutionellen Wandels am historischen Einzelfall
prüft und verfeinert.
Die Übung verfolgt zwei Ziele. Zum einen
werden wir einflussreiche soziologische Erklärungsmodelle kennenlernen,
von Tocquevilles Analyse der Französischen Revolution bis zu aktuellen
spieltheoretischen Ansätzen. Zum anderen werden wir am Beispiel der
Krisen der späten römischen Republik (133–27 v. Chr.) verschiedene
Formen des (versuchten) Umsturzes der bestehenden Ordnung kennenlernen,
von Sklavenaufständen und radikalen Reformen über Bürgerkrieg und Putsch
bis hin zu Adelsverschwörung und revolutionärer Restauration. Der Kurs
führt an einem Schlüsselthema der Geschichtsforschung ein in die
historische Soziologie und die Geschichte der römischen Republik.
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- Trainer/in: Moritz Hinsch