Die Malediven und Lakkadiven bilden eine Kette von etwa 1200 Inseln, die sich in nord-südlicher Richtung über mehr als eintausend Kilometern erstreckt. Der nördliche Teil, die Lakkadiven, werden als indisches Territorium von New Delhi säkular verwaltet und sind nur bedingt zugänglich. Der weitaus größere, südliche Teil ist das Territorium der Republic of Maldives, einem islamischen Staat, der durch seine Touristenresorts weltweit Bekanntheit erlangt hat. Zur Gesellschaft in beiden Regionen, die zum überwiegenden Teil muslimisch und matrilinear geprägt ist, liegen jedoch nur wenige kulturwissenschaftliche Arbeiten vor. Im Seminar werden vorkoloniale, kolonialzeitliche und rezente Berichte und Ethnografien aus einer kritischen postkolonialen Sicht gelesen und im Rahmen der größer angelegten Indian Ocean Studies interpretiert. Einer der Schwerpunkte ist das Verhältnis von Staat und Lokalgesellschaft, das sich aufgrund der großen Entfernungen und kleinräumlichen Gesellschaften in besonderer Weise manifestiert. Das Meer erscheint hier nicht als trennendes, sondern als verbindendes Element und der Staat mit seinen Forderungen von Abgaben und Steuern punktuell mächtig und dennoch oft abwesend. Heute sind alle bewohnten Inseln administrativ erfasst, infrastrukturell mit den politischen Zentren verbunden und vom jeweiligen Staatswesen geprägt. In Indien regierten über lange Zeiträume säkulare Kräfte und seit kurzem eine nationalistische Partei; die Malediven sind ein islamischer Staat und sowohl von wahhabitischem Gedankengut aus Saudi Arabien wie auch von einer globalisierten Tourismusindustrie beeinflusst.