AT-Vertiefungsvorlesung
Montags 12 - 14 Uhr c.t.
Raum A 119
Sowohl Loben als auch Klagen gehört zu den Grundvollzügen menschlichen Lebens. Wo Menschen miteinander zu tun haben, wird gelobt und geklagt, in Familie, Berufsleben, unter Nachbarn, im Straßenverkehr, usw. Sind Lob und Klage in die Form eines gesprochenen oder gesungenen Gebets gefasst, leisten sie daher nichts weniger, als ein Grundelement menschlichen Daseins auf eine transzendente Ebene zu heben. Typisch für den Akt des Lobens ist dabei, dass er im Unterschied etwa zur Bitte keinen praktischen Zweck verfolgt. Lob ist Ausdruck der Freude am Guten und des Bedürfnisses, diese mit anderen zu teilen. Sobald Lob geäußert wird, weil damit – stets indirekt – ein bestimmter Zweck verfolgt wird, ist es kein reines, echtes Lob mehr. Ihm haftet der Makel der Unehrlichkeit an. Dies gilt selbst dann, wenn z.B. pädagogisch verzwecktes Lob eigentlich ein gutes Ziel verfolgt, und mehr noch, wenn Lob zur egoistisch motivierten Lobhudelei wird. Die ehrliche Haltung als wesensmäßige Voraussetzung echten Lobes ist ein Charakteristikum, das dem Lob im Verhältnis des Menschen zu Gott eine besondere Bedeutung verleiht. Wenn der Mensch Gott von Herzen lobt, dann ist ihm eine Unbefangenheit und Unmittelbarkeit gegeben, die ihn der Quelle des Lebens besonders nahe sein lässt.
Die Lobgebete bei den Schriftpropheten sind insofern besonders interessant, als sie in einem spezifischen Verhältnis zur prophetischen Verkündigung stehen. Während Letztere sich an Menschen richtet, indem sie die Gegenwart kritisch beleuchtet und Gericht oder Heil ankündigt, verleihen die Gebete der Prophetie eine dialogische Dimension, indem sie Reaktionen auf Gottes Wort darstellen. Der Mensch ist dem Verkündeten nicht einfach unterworfen, sondern er kann in Lob oder auch Klage dazu Stellung nehmen. So akzeptieren etwa die Beter von Jes 12 ein früher angekündigtes und eingetretenes Gericht als Läuterungsprozess, der dauerhaft zum Heil führt. In Jes 25,1-5 preist ein Individuum den Herrn, der sich dem Geringen im Angesicht überlegener Feinde als unüberwindbare Festung erwies. Das Lob weitet sich in Jes 26 auf das ganze Gottesvolk aus, das sich dank erfahrener Rettung zu JHWH als „Fels der Ewigkeiten“ bekennt.
Neben der Exegese einzelner Texte und ihres Kontextes, beleuchtet die Vorlesung in einem propädeutischen Teil wichtige Grundlagen alttestamentlicher Gebete und ihrer Einbindung in die Prophetie. Dabei werden nicht nur spezifisches Vokabular und Überlieferungsquellen von Gebeten sowie das Verhältnis von Prophetie und Gebet behandelt, sondern auch archäologische Einblicke zu Kultstätten in Palästina als den prominentesten Orten von Opfer und Gebet vermittelt.