Das Christentum hat von Anfang an eine ambivalente Haltung gegenüber dem Gesetz eingenommen. Paulus stellte die Gnade über das Gesetz, schuf aber zugleich die ersten Kirchenordnungen für seine Gemeinden. Die Existenz des Kirchenrechts erschien immer wieder rechtfertigungsbedürftig. Rudolph Sohm trieb diese Skepsis auf die Spitze, indem er behauptete, das Kirchenrecht stehe im Widerspruch zum Wesen der Kirche. Diese Kritik rief wiederum Ansätze zu einer theologischen Grundlegung des Kirchenrechts hervor. Anders verhält es sich in Religionen wie dem Judentum, in dem das Recht eine zentrale Stellung einnimmt und ohne weiteres theologisch begründet ist. Der Vergleich zwischen jüdischem Recht und katholischem Kirchenrecht kann über Einzelthemen hinaus neue Erkenntnisse für die theologische Grundlegung bringen. Die Teilnehmenden besuchen die “Comparative Consultation on Jewish and Catholic Law“ in Posen (Polen) und ziehen daraus Schlussfolgerungen für die theologische Grundlegung des katholischen Kirchenrechts.

Die Lehrveranstaltung behandelt, der Gesetzessystematik des CIC folgend, jene Fragen, welche die innere Ordnung der Teilkirche betreffen: Diözesansynode, Diözesankurie (Generalvikar, Kanzler, Ökonom usw.), Priesterrat und Konsultorenkollegium, Kanonikerkapitel, Pastoralrat, Pfarrei und Pfarrer, Dechant und Dekanat, Kirchenrektor und Cappellanus; die Besonderheiten der kategorialen Seelsorgestrukturen werden berücksichtigt. Besonders auf diesem Gebiet ist eine Zusammenschau von Universal- und Partikularrecht unerlässlich.

Die vertiefte Beschäftigung mit der Materie der Allgemeinen Normen vermittelt wie kein anderer Teil der kirchlichen Gesetzbücher die für die professionelle Arbeit im kanonischen Recht unentbehrlichen Grundlagen.

Die Vorlesung folgt im Aufbau der Gesetzessystematik des CIC und umschließt die Themenfelder der kirchlichen Leitungsgewalt und ihrer Ausübung, des Kirchenamtes, der Ersitzung und Verjährung sowie der Zeitberechnung (Titulus VIII - XI des Liber I CIC; vgl. die Titel XX, XXI und XXX CCEO). Bei der Darlegung dieser Materien verbindet sich die Exegese der Canones mit der rechtsdogmatischen Erschließung der betroffenen Rechtsinstitute. Es soll der Blick für die Anwendungsbereiche dieser Regelungen in den verschiedenen Teilen der kirchlichen Rechtsordnung bzw. in der Rechtspraxis geschärft und die Erfassung übergreifender Zusammenhänge erleichtert werden.

Das Dekret „Novo Codice“ der Bildungskongregation vom 02.09.2002 sieht für das Kanonistikstudium die Fächer „Theologie des Kirchenrechts“ und „Rechtsphilosophie“ vor. Beides gehört zusammen. Wer wissen will, was Kirchenrecht ist, muss zuerst klären, was überhaupt unter Recht verstanden wird. Sodann kann nach den theologischen Besonderheiten des Kirchenrechts gefragt werden. Welche Rolle spielt das Recht im zwischenmenschlichen Zusammenleben? Welche theologische Legitimation und Bedeutung hat es in der Kirche? Wie ist das Verhältnis zwischen Recht und Gerechtigkeit zu sehen und wie zeigt sich dieses in der Kirche?