Dr. Laura Hanemann

Wohlfahrtsstaat und Praktiken der Verantwortung 

Seminar MA (WP 14/Neuer Master) • Wintersemester 2020/2021

Mittwoch 12-14 Uhr c.t. • online

 

Im Seminar beschäftigen wir uns mit einer Soziologie des Wohlfahrtsstaates. In einem ersten Schritt gehen wir der Frage nach, was eine soziologische Perspektive auf den Wohlfahrtsstaat ausmacht? Was heißt es, ihn als politische Ordnungsfunktion gesellschaftlicher Verhältnisse zu begreifen und warum gilt der Wohlfahrtsstaat als zentraler Modus politischer Vergesellschaftung?

Von diesen Fragen und Perspektiven ausgehend beschäftigt sich das Seminar in einem zweiten Schritt mit der Arbeit von François Ewald, der nicht vom Wohlfahrtsstaat, sondern vom „Vorsorgestaat“ spricht. Als Schüler und Mitarbeiter von Michel Foucault rekonstruiert Ewald die Entwicklung des modernen Staates als eine Geschichte sogenannter „Praktiken der Verantwortung“. Er zeigt anhand von juristischen Regelungen zum Arbeitsunfall auf, wie das Ereignis des Unfalls nicht mehr in Kategorien der persönlichen Schuld, der Haftung und des nicht planbaren Zufalls, sondern in denen des statistisch berechenbaren Risikos und der Versicherung gedacht wird. Damit einhergehen nicht nur Veränderungen des liberalen Rechts, sondern auch eine individuelle Pflicht zur Vorsorge sowie eine neue normative Ordnung, bei der es kein „Außerhalb der Gesellschaft“ mehr gibt.

 

Teilnahme und Beteiligung

Die Veranstaltung findet als wöchentliches zoom-Seminar statt. Die regelmäßige Teilnahme, eine mündliche Beteiligung und die gründliche Lektüre der Texte sind obligatorisch.

Teilnahmebedingungen sind:

eine regelmäßige Teilnahme

eine aktive Mitarbeit im Seminar

die Übernahme der Rolle einer bevorzugten Ansprechpartnerin/ eines bevorzugten Ansprechpartners in zwei Seminarsitzungen

 Verfassen einer Hausarbeit


Im Alltag gelten Körper als in naiver Weise ‚natürlich‘: als unveränderlich durch soziale Praxis, als vor-gesellschaftlich und als Objekte, deren Wahrheit nur die Naturwissenschaften erkennen können. Einerseits. Andererseits machen alle Menschen – je spezifisch – die Erfahrung, den eigenen Körper andauernd – mehr oder minder bewusst, mehr oder minder strategisch – zu gestalten: durch Sport, Diät, Friseurbesuche, Make-Up, durch Hormonpräparate oder Technologien wie Hörgeräte, Zahnspangen, Brillen. Auch machen alle Menschen immer die Erfahrung, dass der Körper sich permanent verändert – er altert, wird krank, verändert sich. Und, ganz trivial, wir sind als Menschen immer körperlich in der Welt; jede Praxis, jedes Denken, jede Wahrnehmung geschieht durch unsere Körper hindurch. Kurzum: Körper(lichkeit) ist für unsere Sozialität hoch relevant.

Für die Soziologie ist die Beschäftigung mit der Körperlichkeit, als ein Aspekt des Sozialen, keine Neuigkeit (mehr). In diesem Seminar wird ein Überblick über das Feld der „Körpersoziologie“ erarbeitet, dabei werden zentrale theoretisch-konzeptuelle Positionen (z.B. Leib-Phänomenologie, Zivilisationstheorie, Habitus/Hexis, Affekt, Praxeologie usw.) ebenso wie empirische Felder (z.B. Sport, Tanz, Ernährung, Sexualität) präsentiert und debattiert.


Das Seminar ist als Lektürekurs konzipiert und erläutert epistemologische und methodologische Grundlagen der qualitativen Sozialforschung. Auf Basis ausgewählter Texte werden Annahmen über die Beschaffenheit sozialer Wirklichkeit und Möglichkeiten ihrer sozialwissenschaftlichen Erforschung sowie zentrale methodologische Prinzipien der qualitativen Forschung wie Reflexivität und Offenheit im Forschungsprozess diskutiert. Studierende stellen Lektüre-Texte in Gruppen-Referaten zur Diskussion und verfassen eine Hausarbeit, in der sie eine ausgewählte empirische Studie kritisch diskutieren.