In dieser LV werden wir uns dem Thema "Datenjournalismus" mittels sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden annähern. Der Fokus liegt dabei auf der Sekundärdatenanalyse der "Austrian Corona Panel" Befragungsdaten. Ziel soll es sein das Grundverständnis für quantitative sozialwissenschaftliche Daten zu verfestigen. Dabei geht es sowohl um deren Analyse, als auch um deren Interpretation und Dissemination.

Die Darstellung von Statistiken, Wahrscheinlichkeiten und Meinungsverteilungen ist essentieller Bestandteil journalistischer Berichterstattung – etwa wenn es um die Beliebtheit von Politiker:innen, die Bevölkerungsmeinung zu gesellschaftlichen Themen oder Umwelt- oder Gesundheitsrisiken geht. Um solche Statistiken lebhafter darzustellen, werden sie häufig mit Geschichten von Betroffenen oder Einzelmeinungen von Laien oder Wissenschaftler:innen – so genannten Fallbeispielen oder Narrativen – illustriert, die beispielhaft für bestimmte Meinungen stehen. Wie die Forschung zum Fallbeispieleffekt und zur Wirkung von Narrativen zeigt, wirken sich diese zum Teil stärker auf wahrgenommenes Meinungsklima, Risikowahrnehmung, eigene Meinung, Verantwortungsattributionen oder Verhaltensintentionen aus als die eigentlich valideren statistischen Zahlen. Dies kann zu Wahrnehmungsverzerrungen führen (Stichwort: False Balance), wird umgekehrt in der strategischen Kommunikation aber auch eingesetzt, um Botschaften effektiver zu vermitteln. Das Seminar wird sich zunächst theoretisch mit den zentralen Hintergründen und Befunden zu Fallbeispieleffekten und Narrativen auseinandersetzen und Forschungslücken identifizieren. Im zweiten Schritt werden wir empirische Projekte entwickeln und umsetzen, um diese Lücken zu adressieren. Begleitend werden zentrale Grundlagen der empirischen Sozialforschung vermittelt/wiederholt. Hauptseminar und Seminar sind gemeinsam zu besuchen und zu belegen. 


Unlängst ging ein Foto um die Welt, das einen im Rio Grand ertrunkenen Vater mit seiner kleinen Tochter zeigte und von vielen Medien aufgegriffen wurde. Die Frage, ob man solche schockierenden Bilder zeigen dürfte, bejahten viele Journalist*innen mit dem Verweis auf ihre emotionalisierende Wirkung: Sie rütteln auf, machen betroffen, erzeugen Empathie und Mitleid, mitunter vielleicht sogar Wut über die aktuelle Lage. Eine solche Emotionalisierung der Öffentlichkeit und des öffentlichen Diskurses kann in letzter Zeit verstärkt beobachtet werden, etwa bei Themen wie Flucht/Migration oder Klimaschutz. Sie steht damit zunächst im Widerspruch zum Habermas’schen Ideal, wonach gesellschaftliche Diskurse möglichst sachlich und rational ablaufen sollten und entsprechende Anforderungen auch an journalistische Berichterstattung gestellt werden. In diesem Kurs wollen wir der Frage nachgehen, welche Rolle der Journalismus bei der Emotionalisierung von öffentlichen Diskursen einnimmt.

Wir werden uns eingangs der Frage widmen, wie Emotionalisierung im Journalismus normativ zu bewerten ist und welche Mittel dabei erlaubt sind. Vertiefend werden wir uns dann genau diesen Mitteln widmen, über die Emotionalisierung erfolgen kann, also zum Beispiel die Schilderung von Leidensgeschichten Betroffener oder die Verwendung von emotionalen Bildern. In einem empirischen Forschungsprojekt wollen wir dann untersuchen, wie und vor allem wann solche Mittel von Journalist*innen angewendet werden, wie sie diese auswählen und welche Wirkung sie sich davon erwarten und welche ethischen Überlegungen sie dabei anstellen.


Wenn wir von dem Journalismus reden, dann gerät schnell aus dem Blick, dass hinter diesem Begriff Personen mit unterschiedlichsten Berufsverständnissen stehen, die bei Medien mit hoch diversen journalistischen Kulturen arbeiten. Neben den klassischen Qualitätsmedien sind das z.B. Boulevardmedien, Medien des konstruktiven Journalismus oder die sogenannten alternativen Medien. Während einige journalistische Normen, Werte und Ziele geteilt werden, offenbaren sich an anderer Stelle Abweichungen oder sogar unvereinbare Gegensätze. Ganz besonders ist das bei der Frage der Emotionalisierung zu erwarten. Während der Anspruch der Objektivität bei Qualitätsmedien ein eher zurückhaltendes Verhältnis zur Emotionalisierung nahelegt, gehört die Emotionalisierung bei Boulevardmedien zum Tagesgeschäft. Beim konstruktiven Journalismus hingegen könnte Emotionalisierung bedeutsam für die Motivation von Leser*innen sein sich für Lösungen einzusetzen, während rechte alternative Medien Emotionalisierung dafür nutzen, Angst vor vermeintlichen Verschwörungen und politischen Gegner zu schüren.

Wie die unterschiedlichen Sichtweisen auf Emotionalisierung aber wirklich ausfallen und welche Überzeugungen dahinterstehen, das soll in diesem Seminar erforscht werden. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass Emotionalisierung durch Verrohungstendenzen der Kommunikation im Internet neue Brisanz erhalten hat. Daher gilt es zu klären, inwiefern Journalist*innen in ihrer Arbeit dafür sensibilisiert worden sind, dass auch sie durch Emotionalisierung in ihrer Arbeit eine entschärfende oder befeuernde Rolle in Diskursen einnehmen. Konkret wird in einem empirischen Forschungsprojekt der Frage nachgegangen, wie sich der Umgang mit und Bewertungen von Emotionalisierung unter Journalist*innen abhängig vom Berufsverständnis und Medium unterscheiden.