Frankreich stand am Beginn der Neuzeit vor großen Herausforderungen. Die herrschende Valois-Dynastie war aus dem Hundertjährigen Krieg mit England gestärkt hervorgegangen. Der König von Frankreich war so in der Lage, seinen Anspruch auf den Thron von Neapel mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Die Intervention löste die Italienischen Kriege (1494-1559) aus, die den Habsburgisch-französischen Konflikt in Europa verschärfte, aber auch die kulturellen Errungenschaften der italienischen Renaissance in Frankreich verbreiten half. Unter Franz I. erlebte das Land so eine kulturelle Blüte, die nicht nur Leonardos Mona Lisa aus Italien in die königliche Gemäldesammlung brachte. Auch die Architektur, Kunst, Literatur und Gelehrsamkeit erlebten eine Erneuerung. Die Krone und Angehörige des Adels förderten Erkundungsfahrten und Kolonialprojekte in der atlantischen Welt (Kanada, Brasilien). Gleichwohl war die französische Monarchie noch nicht so gefestigt, dass sie sich gegen die Machtkonkurrenz aus dem Adel, der Kirche und dem aufstrebenden städtischen Bürgertum behaupten konnte. Zudem verschärfte die konfessionelle Spaltung durch die Reformation die politischen Gegensätze so sehr, dass Frankreich ab 1562 in die blutigen Auseinandersetzungen der Religionskriege stürzte. Als es 1572 zu einem Massaker an Protestanten durch Katholiken bei der Pariser Bluthochzeit kam, erlebte die Monarchie ihre schwerste Krise. Erst Heinrich IV. konnte nach seinem Übertritt zum Katholizismus das Land wieder einen und durch die Ausrufung des Toleranzedikts von Nantes 1598 den Frieden im Land halbwegs wieder herstellen. Der Basiskurs thematisiert insbesondere die Herausbildung des Staatswesens, die Etablierung der Monarchie, die Rolle des Adels, aber auch die Entstehung neuer kirchlicher, juristischer, fiskalischer und kultureller Institutionen. Für den Besuch des Kurses ist die passive Beherrschung der englischen Sprache vorausgesetzt, die der französischen nicht obligatorisch, aber hilfreich.

Das Seminar befasst sich mit der Idee der Aufklärung in einem europäischen Rahmen. Wir beginnen und enden mit der Frage, was "die" Aufklärung eigentlich ist/war. Diskutiert werden zentrale Texte, Manifeste und Ausdrucksweisen dessen, was der europäischen Aufklärung zugerechnet wird. Neben einer ideengeschichtlichen Perspektive auf zentrale Gedanken der Aufklärung richtet sich das Seminar auch auf politik-, sozial-, medien- und wirtschaftshistorische Zusammenhänge. Daneben diskutieren wir die Relevanz der Aufklärung für das moderne Europa und für die Gegenwart.

Die Vorlesung bietet einen Überblick über die Geschichte frühneuzeitlicher Städte von ca. 1500 bis 1750. Ziel ist eine Einführung in die Themen, welche die Stadtgeschichte prägen und zugleich auch eine allgemeine Einführung in die Geschichte der Frühen Neuzeit anzubieten. Dabei werden sowohl die eher klassischen Aspekte behandelt (u. a. Stadtplanung, Organisation der Verteidigung, der Gesundheitsfürsorge und des Handels) als auch jene, die in jüngerer Zeit die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler:innen auf sich gezogen haben (z. B. die Faktoren, die von den "sensory studies" untersucht werden und daher der Aspekt des Hörens, des Riechens usw.) sollen zur Sprache kommen. Die Untersuchungsräume der Vorlesung erstrecken sich sowohl auf den bayerischen und deutschen als auch den europäischen und außereuropäischen Kontext, wodurch eine vergleichende geografische Perspektive ermöglicht wird.

Philipp II. von Spanien gilt als Symbol eines strengen, düsteren Katholizismus und zugleich des Beginns rationaler, aktengestützter Herrschaft. Im Seminar wird die Herrschaftstechnik Philipps II. von Spanien untersucht, und zwar sowohl in Hinsicht auf die Außenseite von Macht (Architektur, höfische Repräsentation, Kunst) als auch in Hinsicht auf die konkreten Praktiken, mit denen es einem Herrscher wie Philipp II. möglich war, ein weltumspannendes Reich zu verstehen, zu verwalten und zu regieren (Ämter, Schriftlichkeit, Kartographie etc.). Insgesamt sollen so die Bedingungen und auch Grenzen frühneuzeitlicher Herrschaft herausgearbeitet werden. Das Seminar dient auch dazu, Einblicke in die weitere Thematik der iberischen und lateinamerikanischen Geschichte der Frühen Neuzeit zu eröffnen.

Die erste Phase der Globalisierung fällt in die Frühe Neuzeit. Zu ihren wichtigsten Akteuren gehören die großen privatwirtschaftlich finanzierten Handelskompanien, wie sie in England, den Niederlanden, Frankreich, Dänemark oder Schweden gegründet wurden. Ihre Handelsnetze umspannten rasch alle bekannten Ozeane. Unter ihnen sind die ersten Aktiengesellschaften, sie transferierten völlig neue Konsumgüter und das zugehörige Wissen, sie verschifften Sklaven, eroberten Kolonien und ruinierten ganze Wirtschaftszweige. Wie also kann man diese Kompanien charakterisieren? Wie waren sie organisiert? Was passierte, wenn diese Wirtschaftsriesen aufeinandertrafen? Was bewirkte die zunehmende Vernetzung der Welt in den davon betroffenen Regionen? Die Fragen sind so zahlreich, wie die Antworten auf sie komplex. Neben wirtschaftlichen, machtpolitischen und gesellschaftlichen gilt es juristische, religiöse, kommunikations- und wissenshistorische Aspekte miteinander in Beziehung zu setzen. Und genau das werden wir im Kurs anhand der Lektüre neuerer Forschungsansätze und eines intensiven Quellenstudiums tun.

Die Nachbarschaft war in der Frühen Neuzeit mehr als ein Leben Tür an Tür. Nachbarschaften waren in Stadt und Land auch Selbstverwaltungsorganisationen. Es handelte sich um Sozial- und Friedensgemeinschaften, die zum Teil auch Gerichtsrechte und die Verfügungsgewalt über Gemeineigentum innehatten. Nachbar-sein brachte somit Pflichten und Ansprüche mit sich. Die Nachbarn waren die ersten, die einen Brand zu löschen hatten, diejenigen, die über die Einhaltung von Zucht und Ordnung wachten, die gemeinschaftlich Arbeiten für die Gemeinde verrichteten oder die einen auffangen sollten, wenn man in Not geraten war. Der Nachbar war aber auch diejenige Person, die einem einen Misthaufen vor die Tür setze, die zur Unzeit Lärm machte, durch Anbauten das Licht nahm oder Gespräche belauschte. Diesen Formen der Nachbarschaft wird sich der Kurs sowohl von der Ebene der normativen Vorschriften als auch von ihren alltagsweltlichen Leistungen und den Konflikten her nähern. Ziel ist, die bislang wenig beachtete Organisations- und Sozialformation näher zu untersuchen, indem nicht nur einschlägige Literaturtitel gelesen, sondern auch konkrete Beispiele aus den Quellen (ggf. auch im Archiv) erforscht werden. Die Bereitschaft, sich mit frühneuzeitlichen Handschriften auseinanderzusetzen ist erwünscht.


In der Lehrveranstaltung wird zunächst die Geschichte der Entwicklung der Künstilichen Intelligenz betrachtet. Dabei werden sowohl die symbolische KI als auch das Maschinelle Lernen vorgestellt.

Ausgewählte Verfahren, insbesondere Künstliche Neuronale Netze werden im Detail vorgestellt. Die einzelnen Verfahren werden möglichen Anwendungen gegenüber gestellt.

In den Übungen sollen die Studenten sich mit den Verfahren vertraut machen und kleine Anwendungen im Bereich der Geschichtswissenschaften entwickeln. Die Studenten sollen in die Lage versetzt werden den Nutzen und die Wirksamkeit einzelner KI Verfahren einzuschätzen und selbst einzuordnen.


Im Verfassungsartikel des Instrumentum Pacis Osnabrugensis wurde die Verfassung des Alten Reiches 1648 (teil-)fixiert und damit auch die Rollen des Kaisers und der Reichsstände. So steht es zumindest in den Lehrbüchern. Tatsächlich jedoch war das Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden durch eine hohe politische und verfassungsrechtliche Dynamik charakterisiert. Die Institutionen des Reichs wie der Reichstag, die obersten Gerichte oder die Reichskreise mussten sich in einem sich beständig verändernden Umfeld immer wieder aufs Neue erfinden und dabei doch dem Schein nach die alten bleiben. Neue Konzepte wie die ‚Souveränität‘ und der Ausbau von territorialer Staatlichkeit brachten zusätzliche Schärfe in das sowieso nicht einfache Verhältnis von Kaiser und Ständen. Immer wieder mussten Fragen verhandelt werden wie die, ob der Kaiser einen Fürsten absetzen konnte? Welchen Zugriff hatte er auf die Untertanen der Stände? Konnte der Reichstag vom Kaiser Information fordern oder ihm Vorschriften machen? Es wurde immer wieder darum gerungen, was dieses Reich nun eigentlich war, wer es war und wieviel an Experimenten es vertrug. Diesen Prozessen wird der Kurs über die Lektüre neuerer Forschungsliteratur und Quellen nachspüren.

Die historische Forschung über Emotionen steht vor einem Dilemma: In vormodernen Quellen ist zwar von Gefühlen die Rede, aber diese sind weder psychologisch noch physiologisch nachprüfbar. Man kann auf historische Emotionen nur kulturwissenschaftlich zugreifen, indem man der  Frage nachgeht, wie Emotionen in bestimmten sozialen Gruppen beschrieben wurden. Dabei hilft, dass historische Emotionskulturen wesentlich nach sozialem Geschlecht strukturiert waren. Mit Blick auf „Frauen“ oder „Männer“ erwartete die soziale Gruppe unterschiedliche Beschreibungen von Emotionen.

In der Übung werden wir wichtige Begriffe wie Emotion, Affekt usw. klären und der Geschichte unseres Faches selbst auf den Grund gehen, indem wir uns ansehen, wann und wie sich die Geschichtswissenschaft mit Emotionen und dem sozialen Geschlecht zu befassen begann. Auch wenden wir uns wichtigen Paradigmen wie etwa dem Poststrukturalismus und der „emotional community“ (B. Rosenwein) zu. Danach widmen wir uns ausgewählten Quellen und emotionenhistorischen Forschungsarbeiten, indem wir sie intensiv auf Bezüge zum sozialen Geschlecht befragen.

Die Bereitschaft zum Lesen englischer Forschungsliteratur ist erforderlich.


Zwischen 1300 und 1800 gab es in Europa über tausend Revolten. Eine davon war der Bauernkrieg 1525 – ein kurzer, aber flächenhafter und äußerst einschneidender Gewaltausbruch, nach dem Menschen noch Ende des 16. Jahrhunderts ihr Geburtsjahr berechneten. Entsprechend vielgestaltig sind die Bewertungen dieses Ereignisses sowohl bei den Zeitgenossen als auch in der Forschung: Luther verdammte die Teilnehmer am Bauernkrieg. Liberale sahen sich in der Forderung mancher Aufständischer wieder, die Zölle abzuschaffen und das Münzwesen zu vereinheitlichen. Marxisten interpretieren den Bauernkrieg als „frühbürgerliche Revolution“. Ein jüngerer Lexikon-Artikel (2005) geht von einem „Verteilungskonflikt innerhalb enger gewordener Grenzen“ (W. Trossbach) aus. 

Unser Ziel ist es, den Bauernkrieg in seiner ganzen Vielgestaltigkeit zu untersuchen und ihn chronologisch, geographisch und historiographisch einzuordnen, wobei wir ebenso frühere wie spätere Revolten mit in den Blick nehmen. Es soll darum gehen, soziale, wirtschaftliche, politische und religiöse Faktoren jeweils ortsbedingt und in einer Langzeitperspektive als Teil einer vormodernen Kultur der Revolte zu beleuchten. Auf diesem Weg werden auch grundlegende Paradigmen und staatsexamensrelevante Themen der Forschung zur Vormoderne durchgenommen.


"Haelb Europa bin ich durchtzoegen und in den beruembsten Steten der welt gewesen, aber in keiner habe ich mererley broets gesen als man hie fast teglich tzu markte bringt, das auch fast ein ider fremder seiner landart brott, struetzel, seemel, kuchen, und wie es mag genent werden, findet. [...] In dieser Statt ist kein wunder wie tzue Venedig, auf ihrem Marktae, alle tage auch aus aller welt örtter folk beyderr pershoen in ihres landes kleidunge tzusehen [...].“ Mit diesen Reisetagebuchaufzeichnungen entwirft der Kaufmann und Dominikanermönch Martin Gruneweg (1562-1618) ein beinah babylonisch anmutendes Bild der Stadt Lemberg, in der er sowohl Andersartigkeit als auch Vertrautes findet. Reiseberichte und Reisen durch das Europa der Frühen Neuzeit wie diese stehen im Fokus des Basiskurses. Ziel ist es erstens, Europareisen dieser Zeit systematisch als Kulturpraktik in den Blick zu nehmen. Zweitens soll es darum gehen, Reiseberichte als Quellengattung der Frühneuzeitforschung zu studieren und zu fragen, welche Auskunft sie uns über die Konstruktion von Fremdheit, über das Selbstverständnis der frühneuzeitlichen Europäer sowie über Verflechtungen in dieser Region geben können.


In der Lehrveranstaltung sollen kryptographische Verfahren vom Altertum bis zur Neuzeit beleuchtet werden. Zunächst werden die manuellen Kryptoverfahren aus dem Altertum, wie Skytale, Cäsar Chiffre erläutert. Es wird zwischen Transpositionschiffren und Substitutionschiffren unterschieden. Aus dem Mittelalter werden verschlüsselte Handschiften wie das Isruna-Traktat vorgestellt. Dabei werden auch frühe statistische Verfahren der Kryptoanalyse diskutiert. Mit dem Beginn der Renaissance erlebte die Kryptographie einen erheblichen Aufschwung. Die Techniken der Chiffrierscheiben und Chiffrierschieber bis zu den Saint-Cyr-Schiebern wird beschrieben. Es folgt die Erläuterung der Viginere Chiffre und dem Kasiski-Verfahren zum Brechen der Chiffre. Die Chiffren werden in die Geschichte eingeordnet und an Beispielen wie dem Babington-Komplott oder der Beale-Chiffre erläutert. Danach wird auf Maschinenchiffren wie die Machina deciphratoria bis hin zur Enigma eingegangen. Im Folgenden wird auf Computerverschlüsselung eingegangen und zwischen symmetrischen und asymmetrischen Chiffren, sowie zwischen Block- und Stromchiffren unterschieden. Kerckhoffs’ Prinzip wird erläutert und diskutiert. Angriffe auf moderne Chiffren werden dargestellt und eingeordnet. Es folgt ein Ausblick auf moderne Anwendungen der Kryptologie bis hin zur Blockchain.

Neben der Kryptographie sollen auch steganografische Verfahren beschrieben und am Beispiel gezeigt werden. Auch hier werden bekannt Beispiele aus der Geschichte gezeigt und Methoden zum Auffinden erläutert.

In den Übungen sollen die Studenten sich mit den Verfahren vertraut machen und selbst Texte dechiffrieren. Dazu soll das Crypt-Tool als Werkzeug und statistische Verfahren erlernt werden. Die Studenten sollen in die Lage versetzt werden die Sicherheit von Verfahren einzuschätzen und selbst unbekannte Kryptotexte zu untersuchen.

Prüfungsform im BA und modularisierten LA: KL



Eines der herausragenden und grundlegenden Charakteristika der Vormoderne ist die hierarchische Ordnung einer Gesellschaft, die ihren Ausdruck in einer ständischen Ungleichheit findet, die den Alltag vormoderner Zeitgenossen dominieren konnte. Je nach Zugehörigkeit (qua Geburt, Herkunft, Besitz, im Laufe der FNZ vermehrt auch durch Bildung) zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe definierte sich nämlich die gesellschaftliche Position, der Rechtsstand, Besitz- und Erwerbsmöglichkeiten; es limitierten bzw. eröffneten sich Handlungsmöglichkeiten oder ergaben sich Freiheiten.

Was die ständische Gesellschaft ausmachte – besonders auch in den Überseegebieten des Spanischen Imperiums –, wie darüber in der Zeit selbst gedacht wurde, wie sich die Forschung damit auseinandergesetzt hat, ist Inhalt des Seminars. Zudem gilt es herauszuarbeiten und kritisch zu reflektieren, dass diese Großkategorie der Forschung auch dynamische Entwicklungsprozesse und soziale Mobilitäten beinhalten konnte.

Bewusst wird ein Großkonzept und Terminus der geschichtswissenschaftlichen Forschung herausgegriffen, um sowohl Grundlagenwissen über die Vormoderne zu legen und vergleichend über epochale und räumliche Grenzen zu schauen als auch mit Blick auf neuere Forschungen hergebrachte Forschungsbegrifflichkeiten zu hinterfragen.


Die sogenannten Bürgermeisterrechnungen, bestehend aus Rechnungsbänden und Beilagen, spiegeln alle Arten von Einnahmen und Ausgaben der frühneuzeitlichen Stadt wider. Dadurch treten in ihnen nicht nur Amtsträger namentlich in Erscheinung, sondern auch einfache Bedienstete oder Supplikanten. Auch der stets geldbedürftige – in diesem Fall württembergische – Herzog bzw. dessen Beamte hinterließen in den Rechnungen ihre Spuren.

Für die Analyse und Interpretation der Rechnungen ist die ganze Bandbreite grundwissenschaftlicher Skills nötig. Neben Paläographie und Chronologie kommen auch Numismatik, Diplomatik, Heraldik und Sphragistik zum Einsatz. Die Übung verfolgt somit ein zweifaches Ziel: Neben Einblicken in die Funktionsweise der Verwaltung einer frühneuzeitlichen Residenzstadt sollen anhand der Stuttgarter Bürgermeisterrechnungen auch grundwissenschaftliche Techniken kennengelernt und eingeübt werden.




Ob es sich nun um Verbrauchsgüter wie Gewürze und Tee, Stoffe und Porzellan oder exklusive Sammelstücke handelte, ostindische Waren standen in der Frühen Neuzeit für Luxus und Raffinesse. Die importierten Artefakte lösten Konsumbegierden und Nachahmungsversuche aus. Das Blau der Delfter Keramik, die Meissener Porzellanmuster oder die Blumen der Indiennestoffe imitieren Vorbilder aus Asien. Wenn sich die heutige Forschung diesen Objekten zuwendet, untersucht sie daher nicht nur klischeehafte Imaginationen über die Herkunftsregionen, die als exoticism und orientalism thematisiert werden, sondern auch Vorgänge wie die consumer revolution oder die industrious revolution. Im Seminar werden daher Herangehensweisen der material culture studies mit global-, kultur-, wissens- und wirtschaftshistorischen Ansätzen verbunden, um zu untersuchen, wie genau asiatische Objekte im Europa der Frühen Neuzeit wahrgenommen wurden, wie man sie beschaffte, mit ihnen umging und welche Folgen ihre Präsenz hatte. Triggerten sie vielleicht sogar die Industrialisierung? Auf Basis von Forschungsliteratur und einer großen Breite unterschiedlichster Quellen soll dem im Seminar nachgegangen werden.

Wie können wir die Ordnungsbildung der vormodernen Gesellschaften besser verstehen, wenn wir diese nicht, wie gewohnt, durch die Brille der Politik, der Religion oder des Staates, sondern anhand der materiellen Kultur (etwa Dinge) oder der Körperpraktiken (etwa Essen und Kleiden) untersuchen? Die Übung setzt bei dieser Frage an und bietet einen systematischen Einblick in die aktuellen Grundkategorien, Begriffe und Perspektiven zweier in den Geistes- und Sozialwissenschaften prominent gewordener Ansätze: der material turn und der bodily turn. Das Ziel ist, anhand gemeinsamer Lektüre geschichtswissenschaftlicher und soziologischer Texte das methodische Instrumentarium der beiden Ansätze differenziert herauszuarbeiten und seine forschungsgebundene Anwendung an ausgewählten Beispielen der aktuellen Forschung zu diskutieren. Die Kursteilnehmenden werden gegebenenfalls auch dabei unterstützt, ihre eigenen Forschungsinteressen und -themen in diesem methodischen Feld zu erproben.

Vorkenntnisse sind nicht notwendig, lediglich die Neugierde auf Fragen der Geschichtstheorie und eine entsprechende Bereitschaft, sich auf komplexe Lektüre einzulassen.


Europa erlebte vom 14. bis zum 18. Jahrhundert zahlreiche Wellen der Pest und anderer Infektionskrankheiten. Das Seminar erarbeitet verschiedene Herangehensweisen an die Geschichte vormoderner Seuchen, von der klassischen Medizingeschichte über die Demographie, die Sozial- und Kulturgeschichte bis zur DNA-Analyse. Anhand eines breiten Spektrums von Quellen beleuchtet es medizinische und religiöse Vorstellungen über die Pest und unterschiedliche Verhaltensweisen, mit denen Menschen der Ansteckungsgefahr begegneten. Damit kommen nicht zuletzt die Ursprünge von Maßnahmen wie Isolation, Quarantäne und Abstandhalten in den Blick und es lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur aktuellen Pandemie sowie Chancen und Risiken des transepochalen Vergleichs diskutieren.

In der Lehrveranstaltung sollen kryptographische Verfahren vom Altertum bis zur Neuzeit beleuchtet werden. Zunächst werden die manuellen Kryptoverfahren aus dem Altertum, wie Skytale, Cäsar Chiffre erläutert. Es wird zwischen Transpositionschiffren und Substitutionschiffren unterschieden. Aus dem Mittelalter werden verschlüsselte Handschiften wie das Isruna-Traktat vorgestellt. Dabei werden auch frühe statistische Verfahren der Kryptoanalyse diskutiert. Mit dem Beginn der Renaissance erlebte die Kryptographie einen erheblichen Aufschwung. Die Techniken der Chiffrierscheiben und Chiffrierschieber bis zu den Saint-Cyr-Schiebern wird beschrieben. Es folgt die Erläuterung der Viginere Chiffre und dem Kasiski-Verfahren zum Brechen der Chiffre. Die Chiffren werden in die Geschichte eingeordnet und an Beispielen wie dem Babington-Komplott oder der Beale-Chiffre erläutert. Danach wird auf Maschinenchiffren wie die Machina deciphratoria bis hin zur Enigma eingegangen. Im Folgenden wird auf Computerverschlüsselung eingegangen und zwischen symmetrischen und asymmetrischen Chiffren, sowie zwischen Block- und Stromchiffren unterschieden. Kerckhoffs’ Prinzip wird erläutert und diskutiert. Angriffe auf moderne Chiffren werden dargestellt und eingeordnet. Es folgt ein Ausblick auf moderne Anwendungen der Kryptologie bis hin zur Blockchain.

Neben der Kryptographie sollen auch steganografische Verfahren beschrieben und am Beispiel gezeigt werden. Auch hier werden bekannt Beispiele aus der Geschichte gezeigt und Methoden zum Auffinden erläutert.

In den Übungen sollen die Studenten sich mit den Verfahren vertraut machen und selbst Texte dechiffrieren. Dazu soll das Crypt-Tool als Werkzeug und statistische Verfahren erlernt werden. Die Studenten sollen in die Lage versetzt werden die Sicherheit von Verfahren einzuschätzen und selbst unbekannte Kryptotexte zu untersuchen.

Prüfungsform im BA und modularisierten LA: KL


Im Laufe der Frühen Neuzeit prägten Goldmacher beziehungsweise die sogenannte Goldmacherei verstärkt das Bild der Alchemie, insbesondere einige spektakuläre Betrugsfälle des 16. und 17. Jahrhunderts, trugen dazu bei, die Alchemie nachhaltig in Verruf zu bringen.

Der Goldmacher Christian Wilhelm von Krohnemann stand fast ein Jahrzehnt in Diensten des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth; freilich ohne je den ersehnten Goldregen produzieren zu können, nicht aber ohne die markgräflichen Finanzen und Nerven in erheblichem Maße zu strapazieren.

Am Beginn von Krohnemanns Bayreuther Karriere, die im April 1686 mit der Hinrichtung des Goldmachers ein jähes Ende fand, stand ein der Markgräfin Sophie Louise gewidmetes Traktat mit dem Titel „Von der Universal-Tinctur“. In diesem ‚Bewerbungsschreiben‘ für den Bayreuther Hof legt Krohnemann seine Vorstellungen von der Herstellung des Steins der Weisen sowie der Transmutation unedler Stoffe in Gold dar.

Anhand dieses alchemischen Traktats, dessen weitere Transkription, Lektüre und Interpretation im Mittelpunkt steht, möchte die Übung einen Einblick in die Themenfelder Alchemie und Goldmacherei bieten.


Schlagworte wie „Vernunft“, „rationales Denken“ und „Reform“, „Absolutismus“, „Souveränität“ und „Revolution“ finden sich der Forschungsliteratur und Populärkultur zahlreich, um im „Zeitalter der Aufklärung“ den europäischen „Beginn der Moderne“ zu verorten. Das Seminar setzt sich vertiefend mit der Frage auseinander, wie sich dieses europäische Phänomen in den Gesellschaften Englands, Frankreichs und Deutschlands bilden konnte, welche Wirkmacht es entfaltete und welche Prozesse es angestoßen hat. Besonderes Augenmerk im Seminar liegt darauf, Aufklärung als europäisches Phänomen zu erforschen, einen Überblick über die Entwicklungen zu gewinnen, Hauptakteure kennenzulernen sowie die politische und gesellschaftliche Dimension der Aufklärung näher zu charakterisieren. Anhand von Forschungsliteratur und Quellenarbeit wird dies in Feldern wie Wissenschaft, Religion und Kommunikation vertiefend behandelt werden. 

Die Nacht war ein ambivalentes Phänomen. Einerseits: Dunkelheit und Stille konnten sie zum Ort des Unheimlichen machen, religiöses Denken machte sie zum Ort der Transzedenz, Policeyordnungen reglementierten gesellschaftliches nächtliches Leben, um Ordnung und Sicherheit in dieser obskuren Tageszeit zu ermöglichen, Nachtwächter patroullierten durch die Gassen. Andererseits und vermehrt ab dem 17. Jahrhundert wurde die Nacht besonders durch die Höfische Gesellschaft neu funktionalisiet: Feste wurden gefeiert, Wachsamkeit propagiert, Beleuchtung ermöglichte Zusammenkünfte. Kurzum die Gesellschaft unterlag - laut Craig Koslofsky - einer "nocturnalization". Wie die Menschen des 18. Jahrhunderts, besonders die Höfische Gesellschaft, die Nacht nutzten, welche technischen Entwicklungen und politisch-gesellschaftliche Veränderungen damit einhergingen, wie sich die nocturnalization auf Raum und Zeit, Politik und Gesellschaft auswirkten untersucht das Seminar. Spezifisches Vorhaben des Seminars ist es, diese Entwicklungen in einen forschungspraktischen, methodischen Rahmen einzubinden (Schloss und spatial turn; Höfische Gesellschaft und Praktiken; Vergesellschaftungsthese usw.).




Die Frühe Neuzeit gilt als das Zeitalter der europäischen Expansion, aber welche Auswirkungen hatte sie auf Europa und die Welt? Mit den ‚Entdeckungen‘ begannen sich Kolonialreiche zu bilden, doch was beherrschten sie? Durch freiwillige und erzwungene Migration wurden Abertausende Menschen in Bewegung gesetzt. Was bedeutete dies für Herkunfts- und Ankunftsregionen? Handelsnetze überspannten beinahe alle Ozeane, doch ab wann kann man von einer globalen Vernetzung sprechen? Missionare bereisten die Welt im Auftrag der Kirchen, aber was erreichten sie? Welche neuen Lebensmittel landeten auf wessen Teller und was haben indische Baumwollstoffe mit der Industriellen Revolution zu tun? Die Fragen sind so zahlreich, wie die Antworten auf sie komplex. Neben machtpolitischen und gesellschaftlichen gilt es wirtschaftliche, juristische, religiöse, kommunikations- und wissenshistorische Auswirkungen miteinander in Beziehung zu setzen. Je nach betrachteter Region waren die Folgen des Ausgreifens der Europäer in die Welt von unterschiedlicher Tragweite und die Prozesse, welche die europäische Expansion auslöste, veränderten auch Europa massiv. Die Übung wird sich durch die Lektüre neuerer Forschungsliteratur mit diesen Fragen und den damit verbundenen Forschungsansätzen auseinandersetzen, sie diskutieren und miteinander konfrontieren.

Die Zeit zwischen ca. 1500 und 1800 ist uns nahe und fremd zugleich. Es war eine Zeit voller Spannung und tiefgreifenden Wandels, in der sich das Weltbild der Europäer enorm weitete, sich ihr ganzes Denken transformierte, ihre Lebensumstände umformten und sich ihr Speisezettel änderte. Wenn wir die Frühe Neuzeit als Epoche betrachten, richtet sich der Blick auf fundamentale Prozesse wie die Ausformung des Staats, die Entstehung der Konfessionen, die europäische Expansion und ihre Folgen, die Vervielfachung der Kommunikationsmöglichkeiten und den gesellschaftlichen Wandel. Zu fragen ist dabei aber auch, wie die Menschen lebten und arbeiteten, wie sie dachten, was sie glaubten und was sie fühlten, wie sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie den Großen und den Kleinen gestaltete. Die Übung legt den Schwerpunkt auf Vorgänge, Entwicklungen und Formationen, deren Bedeutung über die Epoche hinausweisen. Ziel ist, dass wir uns über vorlesungsartige Beiträge und gemeinsame Lektüre einen Überblick über die Epoche der Frühen Neuzeit erarbeiten.


Kernbestandteil des Historischen Arbeitens liegt darin, Quellen zu lesen, sie zu verstehen und für eine eigene, übergeordnete Fragestellung nutzbar zu machen. Quellentexte aus der Vormoderne aber sind oftmals sperrig, sprachlich herausfordernd (Frühneuhochdeutsch) und schwer zu verstehen. In dieser Übung wenden wir uns diesen Problematiken zu und werden anhand unterschiedlicher Methoden (Geschichte, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft) kennenlernen, mit diesen Quellen umzugehen und sie für das eigene Studium in angemessenem Zeitaufwand nutzbar zu machen. Methoden, die in allen Teilbereichen der Geschichtswissenschaft Anwendung finden können.

Das Seminar besteht aus online stattfindenden synchronen Arbeits- und Diskussionssitzungen sowie aus asynchronen, individuellen Arbeitsphasen. 


Wer setzte die Regeln vor Ort und wer achtete darauf, dass sie umgesetzt wurden? Wie funktionierte die lokale Politik? Gab es Unterschiede zwischen Stadt und Land? Diese Fragen sind für die Frühe Neuzeit gar nicht so eindeutig zu beantworten – und manche der Antworten sind letztlich gar überraschend. Herrschaft wurde in der Frühen Neuzeit nicht nur auf einer Ebene ausgeübt: Sie reichte von der Gemeinde über den Grundherrn zum Landesherrn und von dort ggf. bis zu den Reichsinstitutionen. Gemeinden regulierten viele Fragen selbst, Nachbarschaften übernahmen Selbstverwaltungsaufgaben und kontrollierten, ob sich jeder an die Regeln hielt. Die Landesherren dagegen hatten lange wenig Zugriffsmöglichkeiten, dennoch erließen sie Ordnungen und sorgten sich um die 'Gute Policey'. Das Seminar wird sich mit Organisationsformen von der Selbstverwaltung bis zur landesherrlichen Verwaltung vor Ort befassen und dabei nicht nur die Grenzen obrigkeitlicher Machtentfaltung ausloten, sondern auch die Vorstellungen thematisieren, die die Untertanen von guter Ordnung hatten, und über welche Möglichkeiten sie verfügten, diese einzubringen. Unter Einbeziehung neuerer Forschungsliteratur, von Quellen und verschiedener historiographischer Konzepte soll so ein differenziertes Bild der politischen Kultur der Frühen Neuzeit erarbeitet werden.

Natur- und Umweltkatastrophen – die Grafiken der Munich Re, einer weltweit agierenden Müncher Versicherungsgesellschaft unserer Tage, scheinen eine eindeutige Tendenz zu belegen, Katastrophen werden beziffert und bewertet, der öffentliche Diskurs der letzten Jahre ist geprägt von climate change und global warming, von Gletscherschmelze und arctic ice minimum, von extremen Naturereignissen, die der Mensch teilweise selbst zu verantworten hat.

Natur- und Umweltkatastrophen sind verstärkt Teil unseres Lebensalltages. Wie aber gingen die Menschen in der Vormoderne mit derartigen Ereignissen um? Welche Natur- und Umweltkatastrophen lassen sich fassen? Wer berichtete wie darüber? Welche Maßnahmen zur Absicherung wurden getroffen, und spielten Risiko- und Zukunftsplanung eine Rolle, wie es u.a. durch die Munich Re heutzutage vorgenommen wird?

Diese und weitere Fragen werden in diesem Kurs an ausgewählten Beispielen thematisiert, die Quellen hierzu gelesen und kontextualisiert. Kleine Eiszeit und climate change, Hochwasser und Dürre, Erdbeben und Plagen sind nur einige Aspekte von vielen anderen, die wir uns für die Vormoderne näher anschauen werden!


Der Münsteraner Sonderforschungsbereich 231 "Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit" hat enormes, nicht nur für die Mittelalterliche Geschichte, geleistet: pragmatische, also zielgerichtet entstandene Schriftlichkeit im Verwaltungskontext wurde aus theoretischer, methodischer und analysierender Perspektive zum "Instrumentarium zweckgerichteter menschlicher Lebenspraxis" erhoben, zum Kristallisationspunkt, anhand dessen sich Vergangenheit auf unterschiedlichste Weise, in unterschiedlichsten Kontexten erforschen lässt.

Listen und Inventare sind Teil des pragmatischen Schrifguts und gewähren uns vielfach Einblicke in den lebenweltlichen Mikrokosmos, der oftmals hinter den 'großen Meistererzählungen' verschwindet. Anhand der Inventare zu vertriebenen Anhängern Thomas Müntzers aus Mühlhausen sollen

1. grundlegende paläographische Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden

2. die Inventare anhand von squirrel transkribiert und digital aufbereitet werden

3. die Inventare und Listen in das Forschungsfeld der pragmatischen Schriftlichkeit integriert werden; die aufgelisteten Gegenstände und Objekte verortet, Muster und Ähnlichkeiten herausgearbeitet und in den Kontext der Mühlhausener Unruhen 1525 gesetzt werden.

Das Seminar erarbeitet dies in Kooperation mit dem Stadtarchiv Mühlhausen (Thüringen). Frau Dr. Antje Schloms, Mitarbeiterin im Stadtarchiv Mühlhausen, wird uns als Expertin den Bestand und seine Überlieferungsgeschichte erläutern.

Lehrform: Online 

Prüfungsformen im BA und mod. LA: RE


Konversionen sind ein Grundphänomen, das mit zahlreichen Aspekten der frühneuzeitlichen Gesellschaft verbunden ist (wie die Konkurrenz der Konfessionen, die politische Ordnung, der Umgang mit Migranten und Minderheiten, der Einsatz von Medien oder die Beziehung der Geschlechter).

Das Ziel des Seminars ist es, andhand von Quellenbeispielen und Sekundärtexten einen Überblick über die große Vielfalt frühneuzeitlicher Konversionspraktiken zu gewinnen. Welche Rolle spielten in Konversionen Glaubensüberzeugungen und opportunistisches Verhalten, der obrigkeitliche Zwang und die gesellschaftlichen Erwartungen? Die ausgewählten Beispiele umfassen Fürstenkonversionen, Konversionen von Klerikern und Universitätsprofessoren, die sich in das Territorium des konfessionellen Rivalen absetzten, Zwangskonversionen von Kriegsgefangenen oder anderer Minderheiten (z.B. „Türkentaufen“, „Judentaufen“) bishin zu Mehrfach-Konversionen und vorgetäuschten Konversionen.

Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn bis SOSE 2020): Angaben folgen

Achtung NEU!

Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn ab WISE 2020/21): RE + HA

Prüfungsform im Didaktikfach - Mittelschule und Sonderpädagogik (Studienbeginn ab WISE 2015/16):  RE + HA


Seit ihren Anfängen charakterisiert die moderne Geschichtswissenschaft die Reformation als ein Schlüsselmoment der europäischen Geschichte. Herrschaft, Politik, Religion und Alltag, ja die Gesellschaftsstrukturen selbst scheinen sich im Zuge der Reformation zu verändern. Als common sense gilt: Die Reformation als Prozess schuf Neues, polarisierte, beseitigte, konkurrierte, trennte und verband, wurde angeeignet, umgedeutet, eingebettet. Zentrales Anliegen des Seminars ist es, aus der Perspektive von Ost- und Westeuropäischer Geschichtsforschung diese Prozesse zu untersuchen. Wie die Gesellschaften Europas mit verschiedenen Formen und Medialitäten von Reformation sowie ihre Folgen beeinflusst wurden und wie sich die Meisternarrative dadurch hinterfragen lassen, ist ein weiteres Ziel des Seminars. Dabei werden wir auf Differenzen, aber vor allem auch Verflechtungen stoßen, die uns helfen, das Denken und Forschen in Fachgrenzen zu überwinden, gemeinsam zu diskutieren und 'über den Tellerrand' der westeuropäisch/osteuropäisch konstruierten Zugriffe hinauszuschauen.

Das Seminar lädt alle Studierende zur Teilnahmen ein, die sich für Ost- und/oder Westeuropageschichte der Vormoderne sowie/oder für Fragen der Geschichtstheorie und Methoden historischer Forschung interessieren.

Seminarform: online (synchron und asynchron)

Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn bis SOSE 2020):

Achtung NEU!

Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn ab WISE 2020/21): RE + HA

Prüfungsform im Didaktikfach - Mittelschule und Sonderpädagogik (Studienbeginn ab WISE 2015/16):  RE + HA


Die Staatsbildung ist eines der ältesten Themen der Geschichtsforschung überhaupt. Was sollte man dazu noch Neues sagen können? Eine ganze Menge! Jüngere Forschungsansätze und –fragen verändern auch den Blick auf 'alte' Themen und stellen sicher geglaubte Erklärungen in Frage. So macht der globalhistorische Ansatz das spezifisch europäische der Staatsbildung sichtbar, aber auch das, was so einzigartig gar nicht ist. Welchen Einfluss hatten die Kolonien auf den sich entwickelnden Staat? Durch die Erforschung der frühneuzeitlichen Expansionen tauchen zudem Akteure auf, mit denen man bislang in der Geschichte der Staatsbildung nicht rechnete – Handelskompanien zum Beispiel. Waren sie Helfer oder als company-states Konkurrenten der entstehenden Staatsgewalt? Welche Rolle spielten die Untertanen? Eine größere als erwartet, denn Staatsbildung wird seit einigen Jahren nicht mehr nur als top-down, sondern auch als bottom-up Prozess verstanden. Kulturhistorische und praxeologische Ansätze rückten die Rolle der Verwaltung und ihrer Beschäftigten in ein neues Licht. Kurz: nach neueren Forschungen wird der Staat gemacht – und nicht gebildet. Die Übung wird sich durch die Lektüre neuerer Forschungsliteratur mit diesen Ansätzen auseinandersetzen, sie mit den Klassikern zur Staatsbildung konfrontieren und dabei beide diskutieren.

"Wasser (H2O) ist eine chemische Verbindung aus […] Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H)." (Wikipedia, Art. 'Wasser'). So trocken kann man das nasse Element beschreiben. Die Übung setzt anders an, denn sie fragt nach der Bedeutung, die Wasser für die Menschen der Frühen Neuzeit hatte und danach, wie sie mit ihm umgingen. Es war Lebensgrundlage und lebensbedrohlich zugleich. Eine ausreichende Wasserversorgung war zentral für das Überleben von Mensch und Vieh sowie das Gedeihen der Ernte. Seen und Flüsse bereicherten den Speisezettel mit Fischen und Krebsen. Obrigkeiten und Gemeinden sorgen sich daher früh um die Reinhaltung von Wasser und die Zuteilung von Rechten am Wasser und seinen Bewohnern. Städte und Fürsten wetteiferten darum, eine gute Wasserversorgung zu gewährleisten, und nutzten Wasser in kunstvoller Fassung zur Selbstdarstellung. Ausgeklügelte Be- und Entwässerungssysteme prägten Landschaften und Gesellschaften. Auf dem Wasser wurden Güter transportiert und die Wasserkraft bildete eine wichtige Energiequelle für das Handwerk. Das Wasser hatte jedoch immer auch eine bedrohliche Seite. Überschwemmungen ruinierten Lebensgrundlagen, mäandrierende Flüsse bedrohten das Eigentum, brechende Deiche sorgten für Katastrophen. Wasserbauten manipulierten den Lauf des Wassers so nicht nur, sie sollten es auch zähmen. Die Übung will sich diesen Themenfeldern durch die Lektüre und Diskussion von einschlägigen Literaturtiteln und Quellen nähern. Die Bereitschaft, sich mit frühneuzeitlichen Handschriften auseinanderzusetzen ist erwünscht.

Fake News und Shitstorms, der Tod des gedruckten Wortes und das Ende des kritischen Journalismus – dies sind nur einige der Schlagworte, die in Diskussionen um die digitale Medienrevolution unserer Gegenwart immer wieder auftauchen. Dabei wird die historische Tiefendimension des Themas oft übersehen. „Kommunikationsrevolutionen“ sind in der Geschichte nichts Neues, sie werden mit schöner Regelmäßigkeit und oftmals zweifelhafter Begründung ausgerufen. Und persönliche Schmähung in Druckwerken jeglicher Art, falsche bzw. irreführende Berichterstattung oder Klagen über das Verschwinden traditioneller Medien kennt die Epoche der Frühen Neuzeit zur Genüge.

Die Übung wird die Mediengeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Umbruchszeit um 1800 auf solche Ähnlichkeiten befragen, aber auch die spezifischen Unterschiede zwischen heute und damals herausarbeiten. Anhand einer Reihe von Fallstudien möchte sie zunächst einen Überblick über die zentralen Medientypen der Zeit, von Flugblatt und Kalender bis zu Zeitung und Zeitschrift, geben und in zentrale Forschungsdebatten der letzten Jahrzehnte, z.B. um Manuskriptkultur und Buchdruck, Mündlichkeit und Schriftlichkeit oder Öffentlichkeit und Geheimnis, einführen. Daneben wollen wir aber auch Fragen stellen, die jüngste Ansätze der Forschung aufgreifen: Gab es in der Frühen Neuzeit Werbung und Marketing? Wieso wurden um 1700 Zeitungen noch handschriftlich vervielfältigt, obwohl es schon eine gedruckte Presse gab? Was verbirgt sich hinter dem Begriff Invektivität?

Die Übung wird nicht bei theoretischer Diskussion stehen bleiben, sondern auch praktischen Anschauungsunterricht bieten. Die beiden Sitzungen am 19. Juni und 3. Juli werden in der Abt. Alte Drucke der Universitätsbibliothek stattfinden. Dort haben wir Gelegenheit, mit Originalen zu arbeiten und unsere Erkenntnisse am Objekt zu überprüfen. 


Nach Max Webers (1864-1920) klassischer Definition bedeutet Herrschaft „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“. Herrschaft beruht auf Macht: Sie bezeichnet die Chance, „innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen“. Lassen sich mit diesem begrifflichen Instrumentarium vormoderne Herrschaftsformen adäquat erfassen? Die neuere Forschung zur Geschichte der Frühen Neuzeit setzt die Akzente anders, indem sie konsensuale Praktiken des Aushandelns von Herrschaft zwischen Obrigkeit und Untertanen auf den verschiedenen politischen Ebenen untersucht. Wie funktionierte also ein Territorial-„Staat“ in der Frühen Neuzeit? Wie wurde Herrschaft ausgeübt, welche Herrschaftsinstitutionen bildeten sich aus? Was forderten die Obrigkeiten von den Untertanen und umgekehrt? Wie stellte man sich die gute Ordnung des Gemeinwesens vor? Schließlich: Wie legitimierte sich Herrschaft? Zur Beantwortung dieser Fragen soll das politische Mehrebenensystem des Alten Reiches v.a. im 17. und 18. Jahrhundert in den Blick genommen werden

"Wenn du am morgen leicht aufwachst, weißt du, dass du gut geschlafen hast. (...)" Mit Sätzen wie diesem leitet IKEA seinen Ratgeber zum "perfekten Schlaf" ein, um - im Mantel des Informierens und - anhand von Schwerpunkten wie Gesundheit, Belastbarkeit und Intelligenz (!) Themen der angemessenen Schlafenszeit oder eines perfekten "Schlafklimas" darzulegen und eigene Produkte hierfür anzubieten.

Nicht nur IKEA: Die Werbung ist voll von Angeboten für den guten Schlaf bzw. gegen Schlaflosigkeit. Ja, auch Ernst Adalbert von Harrach, seines Zeichens Kardinal in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, zeigte sich in seinem Tagebuch erfreut darüber "wohl geschlafen" zu haben - gleichzeitig aber zu tiefst betrübt "2 Nacht wenig geschlafen" zu haben.

Diese Ambivalenz und scheinbare Konstante des menschlichen Lebens möchte die Übung thematisieren. Anhand verschiedener Forschungsfelder (Medizingeschichte, Bildwissenschaften, Theologie, Literaturwissenschaft usw.) sollen Zugänge zum Forschungsthema "Schlaflosigkeit" entwickelt werden. Wer darf schlafen, wer muss wachen? Was führt zu Schlaflosigkeit, wie wird darüber gesprochen und wie lässt sich Schlaflosigkeit erforschen?

Achtung, Covid-19! Die Übung wird kontaktfrei über einen Moodlekurs stattfinden, der die Bereitstellung von Materialien und die asynchrone Diskussion von Inhalten ermöglicht. Zentrale Ausgangspunkte der Erarbeitung dieses Forschungsfeldes bilden medizingeschichtliche, kunstgeschichtliche, theologische und literaturgeschichtliche Studien, die sich dem Phänomen Schlaf in der Frühen Neuzeit widmen. In einer Kombination aus eigenverantwortlicher und angeleiteter Erarbeitung von Themenschwerpunkten sowie Quellen- und Literaturlektüre soll das Forschungsfeld systematisch erschlossen werden. Der Austausch wird über Online-Konferenzen (Zoom), Moodle und E-Mail stattfinden.

Ziel des Kurses ist die strukturierte Zusammenstellung möglicher Zugänge zur Erforschung von Schlaf und Schlaflosigkeit und der im Seminar erarbeiteten ersten Forschungserkenntnisse über diese Phänomene.

Die Ausgestaltung der Online-Konferenzsitzungen sowie der konkrete Aufbau des Seminars wird in der ersten Sitzung besprochen und bekannt gegeben (20.4., 14 Uhr s.t.).

Bitte machen Sie sich rechtzeitig mit beiden Plattformen (Moodle und Zoom) vertraut und beachten Sie Informationen per Mail.

Die Epoche zwischen 1500 und 1800 wurde vielfach als eine Epoche der Kriege und militärischer Konflikte gekennzeichnet. Das Seminar möchte aus einer sozialgeschichtlichen Mikroperspektive heraus diese Kennzeichnung nutzen und danach fragen, welche Mechanismen hinter der Regulierung von sozialen Konflikten standen, welche Handlungsoptionen den Menschen zur Verfügung standen, um sich ihr Recht zu erkämpfen bzw. Konflikte zu kanalsieren und zu befrieden. Welche Rolle spielten dabei Aushandlungsprozesse, Gerichte, der Kaiser, die Obrigkeiten, die Kommune? Welche Folgen hatte die Gefangennahme? Ging sie einher mit dem Verlust der sozialen Auffangnetze? Welche Entwicklungen lassen sich feststellen?

Achtung, Covid-19! Die Übung wird kontaktfrei über einen Moodlekurs stattfinden, der die Bereitstellung von Materialien und die asynchrone Diskussion von Inhalten ermöglicht. Darüber hinaus wird das Seminarthema, aufgeteilt in fünf Schwerpunkten, die in der ersten Online-Konferenzsitzung (Zoom) am 21.04 um 13 Uhr s.t. bekannt gegeben werden, in eigenverantwortlichen Expertengruppen bearbeitet. Über Moodle, Zoom und E-Mail wird der regelmäßige inhaltliche Austausch der Gruppen und aller SeminarteilnehmerInnen sichergestellt. Die Erarbeitung der Themenfelder wird sich auf die online verfügbare Forschungsliteratur und Quellen beschränken. Die konkrete Ausgestaltung der Online-Konferenzsitzungen wird in der ersten Sitzung besprochen und bekannt gegeben.

Bitte machen Sie sich rechtzeitig mit beiden Plattformen (Moodle und Zoom) vertraut und beachten Sie Informationen per Mail.


Die frühneuzeitliche europäische Expansion nach Asien wurde von ‚long-distance corporations‘ getragen. Neben den entstehenden Staaten waren dies vor allem die großen privatwirtschaftlich finanzierten Handelskompanien. Wie aber lassen sich diese mit Souveränitätsrechten ausgestattete Aktiengesellschaften konzeptionell fassen? Die größten unter ihnen, die englische East India Company und die niederländische Vereenigde Oostindische Compagnie, kombinierten Handel und Kolonialherrschaft. Ihre Repräsentanten traten je nach lokalem Kontext entweder als einfache Händler oder als selbstbewusste Herrschende auf. In der Forschungsliteratur erscheinen die Kompanien jedoch so unbeschreiblich wie unvergleichlich: mal werden sie als ‚quasi-staatliche Mächte‘, dann als ‚Wirtschaftsgiganten‘ bezeichnet, hier sind sie der verlängerte Arm ihrer Heimatländer, dort ‚Staaten im Staat‘, mal Element eines ‚federal-brokerage state‘, mal selbst ‚Company-states‘. Das Seminar wird sich mit den jüngst verstärkt geführten Diskussionen um die adäquate Beschreibung der beiden Kompanien auseinandersetzten. Diese selbst werden dabei vergleichend und aus wirtschaftshistorischer, politischer, organisatorischer und institutioneller Perspektive unter die Lupe genommen.


Wer ist zuständig, wenn die Straßen voller Löcher sind oder der Bach zugewachsen ist, und wer verhindert, dass die Kühe des größten Bauern alles Gras auf der gemeinschaftlich genutzten Weide abfressen? Diese Fragen stellen sich umso mehr in einer Zeit, in der der Staat solche Aufgaben kaum übernahm und die Gemeinden über Fluren und Rechte verfügten, die es gemeinschaftlich zu verwalten galt. Die Übung wird sich mit den von Selbstverwaltung bis zu herrschaftlicher Verwaltung reichenden Organisationsformen auf der lokalen und regionalen Ebene auseinandersetzen, und dabei fragen, wie sich im Alltag Probleme und Aufgaben lösen ließen, die die Kooperation mit den Nachbarn erforderten. Wie aber veränderten sich sowohl die Probleme als auch ihre Lösungen, als Medien und Obrigkeiten neue Wirtschaftsformen propagierten, und sich ein verändertes Verständnis vom ökonomisch ‚richtigen‘ Umgang mit natürlichen Ressourcen ausprägte?