Die Entwicklung deutschen Wissenschaftssystem im NS-Staat ist in den letzten beiden Dezennien ein zentrales Thema der Wissenschafts- und Technikgeschichte gewesen. Neuere Forschungen über die Mobilisierung und Selbstmobilisierung von Wissenschaftlern und Ingenieuren für die politischen Ziele des „Dritten Reiches“ sowie über die Entwicklung der Hochschulen und Forschungsinstitutionen haben das Bild des deutschen Wissenschaftssystems im NS-Staat grundlegend verändert. Der Kurs wird anhand ausgewählter Beispiele einen Überblick über den neueren Forschungsstand geben und dabei eine Reihe von zentralen Fragestellungen der neueren Forschung diskutieren: Welche Auswirkungen hatte die Vertreibung so genannter „nichtarischer“ Wissenschaftler auf das deutsche Wissenschaftssystem und auf die Entwicklung einzelner wissenschaftlicher Disziplinen? Welche Formen des Verhaltens und der „Selbstgleichschaltung“ von Wissenschaftlern gab es in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und in den verschiedenen Institutionen? Welche Rolle spielte der Zweite Weltkrieg für die Mobilisierung und „Selbstmobilisierung“ von Wissenschaftlern und wie beeinflusste der Krieg die Gesamtentwicklung von Naturwissenschaft und Technik? Das genaue Programm, die Aufteilung der Themen und Literaturhinweise werden in der Vorbesprechung festgelegt.
Prüfungsformen im BA und mod. LA: RE
- Lehrperson: Ulf Hashagen
Mit dem Konzept der „Dinggeschichte“ hat Gottfried Korff die dynamische Eigenschaft von Objekten als Träger der eigenen Überlieferungsgeschichte charakterisiert. Anders als für viele der gängigen Quellenarten nimmt die Materialität von Objekten dabei eine zentrale Rolle ein. Die Konservierung, Erforschung und Präsentation materieller Zeugnisse zählen noch immer zu den traditionellen Kernaufgaben von Museen. Gleichzeitig laden neue Verfahren zur digitalen Dokumentation und Präsentation von Objekten dazu ein, materielle Kultur im Spiegel ihrer virtuellen Repräsentationen neu zu interpretieren.
Der erste Teil der Übung bietet eine Einführung in die Mechanismen der Aneignung materiellen Kultur durch Museen. Dabei liegt der Fokus auf Sammlungen mit wissenschaftshistorischem Schwerpunkt. Im zweiten Teil der Übung werden Konzepte und Verfahren zur Digitalisierung von Museumssammlungen sowie ihre Rückkopplung auf die Erforschung materieller Kultur diskutiert. Neben der gemeinsamen Erarbeitung von zentralen Texten werden Fallbeispiele untersucht, die Diskussionen von Praktiken und Prozessen in Vergangenheit und Gegenwart ermöglichen. Sofern die Situation es gestattet finden themenbezogene Exkursionen im Rahmen der Übung statt. Sachkenntnisse werden nicht vorausgesetzt, wohl aber die Bereitschaft, englischsprachige Quellen und Sekundärliteratur zu lesen und zu diskutieren.
Prüfungsform im BA und mod. LA: KL
- Lehrperson: Johannes-Geert Hagmann
Im Jahr 1886 rief der Unternehmer Werner von Siemens das »naturwissenschaftliche Zeitalter« aus. Dieses Selbstbewusstsein stand beispielhaft für die Wandlungsprozesse, die die Wissenschaften im 19. Jahrhundert und besonders im Deutschen Kaiserreich (1871-1918) durchliefen: Die Naturwissenschaften gewannen gegenüber der Philosophie, Theologie und Philologie zunehmend an Einfluss; Wissenschaftler wie Robert Koch stiegen zu nationalen Helden auf und dienten als Aushängeschild imperialer Macht; naturwissenschaftliche Erkenntnisse wie Darwins Evolutionstheorie wurden in Vereinen, Zeitschriften, Ausstellungen und aufwendigen Schauvorträgen popularisiert.
Im Zentrum des Kurses steht die politische und gesellschaftliche Rolle von Wissenschaft im Kaiserreich: Inwiefern stellte die Wissenschaft Ressourcen zur Begründung politischer Machtansprüche bereit? Inwieweit bedienten sich Wissenschaftler selbst einer nationalistischen Rhetorik? Und: Welche Folgen hatte wissenschaftliches Wissen für das Verständnis von Religion, Geschlecht, Gesellschaft und den Menschen an sich? Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Quellen sowie zentraler Konzepte werden wir uns dem Thema Wissenschaft im Kaiserreich annähern. Es werden keine Kenntnisse der Wissenschaftsgeschichte (oder gar der Naturwissenschaften) vorausgesetzt, wohl aber die Bereitschaft, englische Texte zu lesen und zu diskutieren.
Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn bis SOSE 2020): KL + RE + HA
Prüfungsformen im BA und LA: (Studienbeginn ab WISE 2020/21): RE + HA
Prüfungsform im Didaktikfach - Mittelschule und Sonderpädagogik: RE + HA
- Lehrperson: Cora Stuhrmann
Der Kurs widmet sich den komplexen Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und gesellschaftlichem Aktivismus in einer Zeit tiefgreifender politischer und kultureller Transformationen. Im Fokus stehen Bewegungen wie die Studentenbewegung, die Frauenbewegung, die Umweltbewegung und die Anti-Atomkraft-Proteste in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, die nicht nur soziale und politische Veränderungen forderten, sondern auch wissenschaftliche Paradigmen und Praktiken infrage stellten. Der Kurs untersucht, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in den Dienst gesellschaftlicher Anliegen gestellt wurden und wie Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Studierende selbst aktiv in politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wurden. Dabei wird hinterfragt, wie Wissenschaft sowohl als Instrument des Protests als auch als Gegenstand kritischer Reflexion genutzt wurde.
Sachkenntnisse werden nicht vorausgesetzt, wohl aber die Fähigkeit und Bereitschaft, auch längere und komplexe englischsprachige Quellen und Literatur zu lesen und zu diskutieren.
Prüfungsformen im BA und mod. LA: ES
- Lehrperson: Cora Stuhrmann
Bevor das Betreiben von Wissenschaft ein Beruf wurde, waren viele derjenigen, die sich mit Naturforschung beschäftigten, universitär ausgebildete Mediziner. Ihre Lebensläufe verbinden Naturforschung mit Karrieren zwischen ärztlicher Praxis, städtischer Gesundheitsfürsorge, Beraterfunktionen bei Hof, Lehrtätigkeit an Universitäten und berufsständischer Interessenpolitik. Das Seminar widmet sich den konkreten Umständen und Praktiken von Wissenschaft in der (Frühen) Neuzeit und nimmt dafür die Gruppe der Ärzte als Beispiel: Wer betrieb Naturforschung und mit welchen Motiven? Wie wurden Erkenntnisse gewonnen und Kommunikation organisiert? Welche Auswirkungen hatten diese Tätigkeiten auf den gesellschaftlichen Status einer Person?
Der Kurs behandelt die Zeit vom späten 15. bis ins ausgehende 19. Jahrhundert, der Schwerpunkt liegt auf dem 17. und 18. Jahrhundert. Anliegen des Seminars ist, wissenschaftliche Praktiken in ihrer Eingebundenheit in die damalige Gesellschaft zu erschließen, aktuelle Positionen der Forschung kennenzulernen und vor diesem Hintergrund die Rolle von Ärzten für die Wissenschaftsgeschichtsschreibung zu diskutieren.
Literatur: Zum Einstieg: Alf Lüdtke / Reiner Prass: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Gelehrtenleben. Wissenschaftspraxis in der Neuzeit (Selbstzeugnisse der Neuzeit 18), Köln / Weimar / Wien 2008, S. 1-29.
Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn bis SOSE 2020): KL + RE + HA
Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn ab WISE 2020/21): RE + HA
- Lehrperson: Julia Böttcher
Viele Forschungsfragen zur Geschichte lassen sich nur anhand von ungedrucktem Quellenmaterial beantworten. Wie finde, wie lese ich ungedrucktes Quellenmaterial? Wie werte ich es aus, wie interpretiere ich meinen Befund? Anhand von Beispielen aus der Geschichte der Wissenschaften macht die Übung mit Besonderheiten der Recherche, Erschließung, Lektüre und Analyse ungedruckter Quellen vertraut. Handschriftliches Material bildet den Schwerpunkt, darüber hinaus wird es auch um nichtschriftliche Quellenbestände wie Bildmaterial oder Objektsammlungen gehen. Ein gemeinsamer Archivbesuch ist in Planung. Wissenschaftshistorische oder paläographische Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt.
Prüfungsform im BA und modularisierten LA, Master und GSP: ES
- Lehrperson: Julia Böttcher
Ausgehend vom Stichwort ‚Perspektivenwechsel‘ befasst sich die Übung mit der Praxis von Geschichtsschreibung. Zum einen geht es um den Perspektivwechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit: Das Handeln historischer Akteur*innen zu untersuchen und zu erklären, verlangt, sich nach Möglichkeit der Quellenlage mit deren Sichtweisen, Kenntnissen, Lebensumständen und Erfahrungshorizont vertraut zu machen. Gelingt oder wie gelingt der Wechsel in die Sichtweise der Akteur*innen, die ich erforsche? Zum anderen erkundet der Kurs die Wahl von analytischen Perspektiven: Für jede historische Studie fallen Entscheidungen über Themenzuschnitt, methodische Zugriffe und theoretische Konzepte. Wie wirkt sich Perspektivenwechsel auf die Identifikation und Darstellung von Zusammenhängen aus?
Die menschliche Auseinandersetzung mit Natur und die Geschichtsschreibung darüber liefern die Beispiele für diese Übung zum Perspektivenwechsel. In Vorlesungsanteilen werden die Beispiele vorgestellt und in der gemeinsamen Diskussion von Quellen und Literatur genauer kennengelernt. Ziel des Kurses ist es, Anregung zur Reflexion des eigenen Verständnisses von Geschichtsschreibung zu bieten.
Prüfungsform im BA und LA: KL
- Lehrperson: Julia Böttcher
Im Oberseminar/Masterkurs werden laufende Forschungsarbeiten zur Wissenschaftsgeschichte vorgestellt und diskutiert. Das Programm wird vor Semesterbeginn per Aushang sowie auf der Homepage des Lehrstuhls bekannt gegeben.
Arbeitsform: Oberseminar / Masterkurs
- Lehrperson: Julia Böttcher