Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Verhaltensforschung zu einem zentralen Feld wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit tierischem und menschlichem Verhalten. Geprägt durch politische Umbrüche, technologische Innovationen und neue theoretische Konzepte formierte sich ein interdisziplinäres Wissensgebiet an der Schnittstelle von Biologie, Psychologie, Anthropologie und Soziologie. Der Kurs beleuchtet die Entwicklung dieser Forschungsrichtung im Kontext ihrer Zeit – von den behavioristischen Experimenten von Pavlov und Skinner über die Etablierung der klassischen Ethologie mit ihrer Instinktlehre bis hin zur Kritik an biologistischen Konzepten menschlichen Verhaltens.
Dabei geht es nicht nur um wissenschaftliche Theorien und Methoden, sondern auch um die gesellschaftlichen, politischen oder militärischen Kontexte, in denen verhaltenswissenschaftliches Wissen produziert wurde. Anhand ausgewählter Fallbeispiele wird diskutiert, wie Verhalten beobachtet, gemessen, klassifiziert, kontrolliert und manipuliert wurde.
Sachkenntnisse werden nicht vorausgesetzt, wohl aber die Fähigkeit und Bereitschaft, auch längere und komplexe englischsprachige Quellen und Literatur zu lesen und zu diskutieren.
Prüfungsformen im BA und mod. LA: ES
- Lehrperson: Cora Stuhrmann
Die Zeit zwischen der Französischen Revolution von 1789 und den europäischen Umbrüchen von 1848 war von tiefgreifenden gesellschaftlichen, politischen und intellektuellen Veränderungen geprägt. Historisiert wurde diese Epoche als sogenannte Sattelzeit und Übergang von der frühen Neuzeit zur Moderne, und auch die Wissenschaften erfuhren in dieser Periode einen fundamentalen Wandel: Neue Institutionen entstanden, Disziplinen formierten sich, und das Verhältnis von Wissenschaft, Staat und Öffentlichkeit wurde neu ausgehandelt. Der Kurs untersucht, wie sich wissenschaftliches Wissen in dieser Epoche entwickelte – im Spannungsfeld von Aufklärung, Industrialisierung und politischem Umbruch. Anhand ausgewählter Fallbeispiele beleuchten wir zentrale Akteure, Orte und Konzepte dieser Übergangszeit und fragen, wie Wissenschaft inmitten revolutionärer Veränderungen neu gedacht und organisiert wurde.
So befassen uns etwa mit der chemischen Revolution um Lavoisier, mit dem Einfluss Napoleons auf die Wissenschaft, der Gründung der Berliner Universität 1810 durch Wilhelm von Humboldt – einem zentralen Schritt zur Institutionalisierung moderner Forschung – sowie mit den Brüdern Grimm, die Sprache und Kultur als Forschungsgegenstände neu bestimmten. Wir diskutieren, wie sich Ideen von Genialität und nützlichem Wissen in der Romantik und im entstehenden Nationalismus verschränkten, wie Wissenschaft zur Legitimation politischer Ordnung diente und wie Forschungsexpeditionen – etwa in koloniale oder außereuropäische Räume – das Verhältnis von Wissen und Herrschaft neu arrangierten.
Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn bis SOSE 2020): KL+RE+HA
Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn ab WISE 2020/21): RE + HA
Prüfungsform im Didaktikfach - Mittelschule und Sonderpädagogik: RE + HA
- Lehrperson: Cora Stuhrmann
„Objektivität“ ist in Selbst- wie Fremdbeschreibungen eines der zentralen Merkmale von Wissenschaft; eine typische Kritik an wissenschaftlichen Feldern, Befunden oder Akteuren ist, diese seien „nicht objektiv“. Bei näherer Betrachtung ist jedoch unklar, was es eigentlich heißt, dass Wissenschaft „objektiv“ ist – oder es sein sollte, handelt es sich doch um eine Norm. Bedeutet es, dass Wissenschaft die Welt korrekt beschreiben sollte, also das, was tatsächlich der Fall ist? Oder bedeutet es, dass Wissenschaft frei sein sollte von moralischen und politischen Wertungen? Wurde dies schon immer gefordert, und wenn nicht: welche Normen galten stattdessen? Und um welche „Wissenschaft“ geht es dabei überhaupt – nur um Physik und Chemie oder auch um Geschichtsschreibung, Germanistik und Gender Studies? Diese und andere Fragen werden wir auf der Grundlage theoretischer Ansätze und an konkreten Beispielen diskutieren.
Die Veranstaltung richtet sich an fortgeschrittene Studierende mit Interesse an konzeptionellen sowie (wissenschafts-)philosophischen Fragen. Vorausgesetzt wird die Fähigkeit und Bereitschaft anspruchsvolle Texte zu lesen und zu diskutieren, auch in englischer Sprache.
Prüfungsformen im Master und GSP, BA und mod. LA: MP
- Lehrperson: Kärin Nickelsen
Dass Pflanzen sich bewegen, lässt sich leicht beobachten: an Sonnenblumen, an Erbsenranken, an der Mimose. Umstritten ist dagegen die Erklärung dieser Bewegungen. Sind es mechanische Abläufe, Reizreaktionen, Willensakte oder Strategien zur Problemlösung? Und wie lässt sich in einer wissenschaftlichen Untersuchung das eine vom anderen unterscheiden? Über diese Fragen streiten sich Pflanzenwissenschaftler:innen schon lange, seit etwa zwanzig Jahren auch unter dem Etikett der „Pflanzen-Neurobiologie“: ein umstrittenes Feld, das die „Intelligenz“ der Pflanzen erforscht und dies auf Charles Darwin zurückführt.
Der Kurs analysiert zunächst die aktuelle Debatte und ihr Echo in der Öffentlichkeit. Dabei geht es um kontroverse Experimente, aber auch um die Wahl von Begriffen und rhetorischen Strategien, um versteckte Vorannahmen sowie die Grenzen zwischen Wissenschaft und Esoterik. Wir untersuchen die Selbstdarstellung des Feldes und die Rolle historischer Referenzen in diesem Kontext – dann prüfen wir am historischen Material, ob diese Referenzen historisch adäquat sind, und diskutieren Diskrepanzen. Die Kontroverse um Darwins Arbeiten in den 1880er Jahren bildet einen Schwerpunkt im Kurs; wir untersuchen aber auch andere Beispiele, in denen um mechanistische Erklärungen vs. Lebenskräfte in Pflanzen gestritten wurde: etwa die Naturforschung um 1800 mit ihrem ganzheitlichen Weltbild; die Dekaden um 1900, mit ihrer Spannung zwischen Pflanzenphysiologie und Lebensreformbewegung; und schließlich die 1970er Jahre, in denen unter dem Eindruck multipler Krisen das Verhältnis von Mensch und Umwelt ganz neu aufgerollt wurde. Neben einer Diskussion der Originalquellen (Texte, Bilder, Filme) und ihrer historischen Einordnung geht es um Kontinuität und Wandel der Debatte sowie um die Frage, warum uns das mögliche Bewusstsein von Pflanzen seit Jahrhunderten fasziniert.
Prüfungsformen im BA und LA (Studienbeginn bis SOSE 2020): MP + RE + HA
Prüfungsformen im MA, BA und LA (Studienbeginn ab WISE 2020/21): RE + HA
Prüfungsform im MA: RE+HA
- Lehrperson: Kärin Nickelsen