Das eigentlich ganz gute Leben. Eine ethnologische Annäherung an Narrative und Praktiken des Mangels und der Fülle als Beitrag zur De-Growth-Debatte Es ist beileibe nicht so, dass dem lauter werdenden Ruf nach Verzicht eine gewisse Vergeblichkeit anhaftet, weil den so Angesprochenen die Alltagserfahrung des Mangels fehle, denkt man an die Auswirkung einer Austeritätspolitik im neoliberalen Staat oder die Bitternis von Armut infolge einer „imperialen Lebensweise“ (Ulrich Brand) anderer. Die Steigerungslogik des globalen Wirtschaftssystems sitzt zu tief in unseren „mentalen Infrastrukturen“ (Harald Welzer) verankert, als dass die Kassandrarufe nach De-Growth von Klima- und Umweltschützer*innen allzu großflächig durchdringen würden. Und dennoch finden alternative Entwürfe, die gemeinsame Zukunft zu gestalten, immer mehr Zulauf und Unterstützung, darunter Denk- und Praxisanstöße, welche oftmals von Konzepten aus dem Globalen Süden inspiriert scheinen. Wie steht es also um die „Indigenialität“, von der Biologe Andreas Weber neuerdings (2018) als probatem Transformationsdesign schwärmt? Im Seminar werden wir uns umsehen, womöglicherweise jene „Suffizienz“ (Wolfgang Sachs) zum Grundanliegen eines Lebens ohne Exzesse wird (the good enough life, Viveiros de Castro): in einem Leben vor dem „Fall“ der neolithischen Revolution (James C. Scott), oder gerade in den ruhigen Kreisläufen einer sich selbst beschränkenden (the limited good) Landwirtschaft vorindustrieller Prägung, oder doch erst in jüngeren Initiativen einer in die Praxis umgesetzten Wachstumskritik (Via Campesina, Nyéléni, Terra Madre u.v.a.)?