Weltweit sind Journalisten und Medieninstitutionen in den letzten Jahren verstärkt Repressalien und Verleumdungen ausgesetzt: Dies bezeugen groß angelegte Festnahmen von Journalisten in der Türkei, Gewalt gegen Reporter im Zuge der Oppositionsproteste in (Weiß-)Russland, die „Fake News“-Vorwürfe des ehemaligen amerikanischen Präsidenten oder etwa auch die Diffamierung der deutschen Medien als „Lügenpresse“. Auch wenn die Situation von Japans Medien relativ selten im Fokus der internationalen Berichterstattung steht, so sind auch hier signifikante Verschlechterungstendenzen zu konstatieren. Während der Amtszeit von Premierminister Abe ist das Land auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit (von einst Platz 22 im Jahr 2012) bis auf Platz 66 (2020) abgerutscht. Wiederholt berichten Journalisten von einem repressiven Medienklima, in dem transparente und kritische Berichterstattung zunehmend erschwert wird. Doch es sind nicht nur die jüngsten Anfeindungen gegenüber der Presse, die den öffentlichen Diskurs beeinträchtigen – Japans Mediensystem gilt historisch bedingt als ein herausforderndes Umfeld für unabhängigen Journalismus und Meinungspluralismus. Eine Presselandschaft bestehend aus einflussreichen Medienkonglomeraten und Werbeagenturen (Dentsû), die Kontrolle des Informations- und Nachrichtenflusses über die sog. Kisha Clubs, die omnipräsente Vermischung von journalistischen und kommerziellen Inhalten und die damit einhergehende Einflussnahme der Industrie auf den öffentlichen Diskurs oder etwa der informelle Einfluss von Politik und Bürokratie auf die Medien (inbesondere auf NHK) stellen nur eine kleine Auswahl der Problematik dar.

Ausgehend von der Erarbeitung grundlegender medien- und kommunikationswissenschaftlicher Theorien und Konzepte sollen in diesem Seminar folgende japanspezifische Themen im Mittelpunkt stehen: die Strukturen des japanischen Mediensystems (Medienkonglomerate, Kisha Clubs, Werbeagenturen etc.) und ihre historischen Grundlagen, die unterschiedlichen Medien (Fernsehen, Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine u.a.) und ihre inhaltliche Ausrichtung, der Journalismus (Berufsbild, Ausbildung, journalistische Ethik etc.), das Verhältnis zwischen Medien und Politik/Bürokratie und schließlich ausgewählte Fallstudien, in denen es gewissermaßen zu „Bewährungsproben“ für den japanischen Journalismus gekommen ist (wie etwa Fukushima).

Anhand der äußerst komplexen und vielschichtigen Problematik sollen die Seminarteilnehmer/innen einen Einblick in einen interdisziplinären Kernbereich gewinnen, in dem vielfache Stränge aus Gesellschaft, Kultur, Politik und Geschichte zusammenlaufen. Gleichzeitig sollen – wo angemessen – Vergleiche mit anderen „Mediendemokratien“ Parallelen und Unterschiede erhellen.