Die Belagerung von Sarajevo im Bosnienkrieg der 1990er Jahre ist Gegenstand zahlreicher literarischer Texte vorwiegend bosnischer Autoren, in denen Wirklichkeit und Fiktion, Dokument und Poesie in einem komplexen Wechselverhältnis stehen. Denn einerseits findet der Einbruch des Krieges in den Alltag seine privilegierte Darstellungsform im Dokumentarischen, z.B. durch die Einbettung in die Fiktion von Textformen wie Tagebuch, Brief, Augenzeugenberichte usw. Andererseits verfremdet die fiktionale ‚Poetisierung‘ des Grauens die automatisierte Wahrnehmung des Kriegsalltags, die sich vor allem in ihrer massemedialen Repräsentation verfestigt hatte, so dass die Belagerung dem durch ‚Bildersättigung‘ verursachten Vergessen entrinnen kann.

Im Seminar soll die Belagerungsliteratur Sarajevos in den Texten von Dževad Karahasan, Miljenko Jergović, Aleksandar Hemon, Semezdin Mehmedinović u.v.m. im Hinblick auf diese doppelte Dimension untersucht werden: Sie will Dokumentation des Krieges sein, zugleich lässt sie sich nicht auf außerästhetische Funktionen reduzieren, da sie ihre eigene Literarizität geradezu ausstellt.

Die untersuchten Texte liegen auch in deutscher Übersetzung vor.