Spätestens
um 1900 findet in der Prosa der slavischen Literaturen ein Wechsel von einer
realistischen Illusionsästhetik zu Formen des Erzählens statt, in denen die
Wahrnehmung subjektiviert und logisch-kausale Zusammenhänge durch ‚poetische‘,
assoziative Darstellungsformen fragmentiert werden. Diese Erschwerung der
Wahrnehmung geht mit einer Betonung der Medialität und Autonomie des poetischen
Wortes einher, die ihr theoretisches Pendant in der formalistischen und
strukturalistischen Ästhetik findet. Unser Streifzug durch die Prosa der
slavischen Moderne beginnt mit den Erzählungen Anton Čechovs, die die für den
Realismus zentrale Kategorie der Ereignishaftigkeit in Frage stellen, und führt
uns zunächst zur die erzählerische Zentralperspektive überwindenden
Kriegsliteratur von Isaak Babel’ (Die
Reiterarmee) und Miloš Crnjanski (Tagebuch
über Čarnojević). Miroslav Krležas
Der kroatische Gott Mars mit seiner eher sozialkritischen Einstellung wird
uns als kontrastive Vergleichsfolie dazu dienen. Im westslavischen Bereich
werden wir uns zum einen mit dem pikaresken Roman Die Abenteuer des braven Soldaten Švejk von Jarosalv Hašek und zum
anderen mit der ‚metamorphotischen‘ Prosa von Bruno Schulz (Die Zimtläden) beschäftigen. Zum Schluss
kehren wir nach Russland zurück, um die jegliche logische Kategorie sprengenden
Texte von Daniil Charms zu analysieren.
- Teacher: Riccardo Nicolosi