Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), welche mit der Vereinbarung von 35 Teilnehmerstaaten auf einen Katalog von Prinzipien zwischenstaatlichen Verhaltens 1975 einen Konferenzprozess mit offenem Ausgang in Gang setzte, war ein wichtiger Teil der Entspannungsdiplomatie im Ost-West-Konflikt und eine Grundlage für die postkommunistische europäische Sicherheitsarchitektur. Dem Helsinki-Prozess lagen jedoch unterschiedliche Interessen und anfangs noch viel Skepsis zu Grunde. Er entwickelte eine Eigendynamik, deren Wirkung über die klassischen Felder der Diplomatie, wie Abrüstungsfragen oder Regelung von lokalen Konflikten, hinausging. Die KSZE war nicht nur eine Plattform der Interessensaushandlung, Konfliktüberwindung und Annäherung zwischen feindlichen Blöcken, sondern die Schlussakte besaß ein transformatorisches Potential: sie rief neue nichtstaatliche Akteure auf den Plan, veränderte die Spielregeln der klassischen Diplomatie, verhalf bei der Durchsetzung von Menschenrechtsnormen und Weiterentwicklung des Völkerrechts.
In diesem Kurs wollen wir uns – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Totalinvasion Russlands in der Ukraine und der Erschütterung der über Jahrzehnte mühsam aufgebaute Sicherheitsarchitektur – ergebnisoffen die Genese dieses komplizierten Prozesses und seiner unmittelbaren Wirkungen bei der Überwindung des Ost-West-Konflikts anschauen und dabei nach dem langfristigen Erbe der Helsinki fragen. Gleichzeitig führt dieser Kurs in die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens ein.