"Die Weltgeschichte fliegt auf Eisenbahnen dahin" (Morgenblatt für gebildete Leser, 18.4.1848) - als Clemens Aloysius, Philologe und Mediziner, angesichts der politischen Umbrüche von 1848 den Lauf der Zeit mit einer Eisenbahn verglich, war diese das Schnellste, was sich der Mensch vorstellen konnte; wenn wir heute den Ausdruck "Wie die Zeit verfliegt" verwenden, denkt wohl niemand mehr an den Vergleich mit einer Zugfahrt. Die Vorstellungen von Geschwindigkeit haben sich seit dem 19. Jahrhundert verändert, die Redensart kaum. Dieser Spannungszustand zwischen Nähe und Distanz zum 21. Jahrhundert zeichnet das 19. Jahrhundert mitunter aus, betont der Historiker Jürgen Osterhammel: Es scheint uns in vielem sehr nahe und in vielem weit entfernt (Osterhammel 2016: 15).

Dieser besonderen Epoche nähern wir uns in der Lehrveranstaltung ereignis- und alltagsgeschichtlich, theoretisch, methodologisch und über Quellenarbeit an und stellen uns unter anderem die Frage: Was hat das 19. Jahrhundert mit uns zu tun und was haben wir mit dem 19. Jahrhundert zu tun? In drei Blöcken beschäftigen wir uns zuerst mit dem 19. Jahrhundert als Epoche und historische Konstruktion, nachfolgend vertiefen wir historisch-archivalische Methoden, bevor wir uns mit Quellen aus der Zeit beschäftigen. Der Fokus liegt dabei auf journalistischen Texten. Ziel der Lehrveranstaltung ist eine Vertiefung der historisch-archivalischen Methoden am Beispiel medialer Quellen aus dem 19. Jahrhundert: Wie gehen wir mit den historischen Quellen um? Wo können wir sie finden? Welches Wissen liefern uns die Quellen? Wir werfen einen kulturwissenschaftlichen Blick auf Geschichte und diskutieren, welche Bedeutung historisches Forschen in der Europäischen Ethnologie hat bzw. haben soll und welchen Beitrag wir zur Geschichtsschreibung leisten können.